Rheinbergs erster hauptamtlicher Bürgermeister Trauer um einen großen Rheinberger

Rheinberg · Klaus Bechstein aus Budberg wurde 76 Jahre alt. Er war ab 1994 Rheinbergs erster hauptamtlicher Bürgermeister. Fast 50 Jahre lang war der Sozialdemokrat kommunalpolitisch aktiv und prägte maßgeblich das Bild der Stadt.

Rheinberg: Klaus Bechsteins politische Etappen
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Klaus Bechsteins politische Etappen

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Foto: Armin Fischer

Zwischen seinem größten politischen Triumph und seiner größten Niederlage lagen genau fünf Jahre. Im Oktober 1994 führte Ulla Hausmann-Radau von den Grünen, erste stellvertretende Bürgermeisterin, den damals 50-jährigen Klaus Bechstein in sein neues Amt ein. Bechstein war vom Rat zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister gewählt worden. Mehr noch: Er war einer der ersten beiden hauptamtlichen Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen. Vom Lehrer (Bechstein leitete damals bereits seit knapp 20 Jahren die Paul-Gerhardt-Grundschule) und ehrenamtlichen Bürgermeister (der er seit 1984 war) wechselte er nun an die Spitze von Rat und Verwaltung ins Stadthaus.

Nicht selten war er 15, 16 Stunden pro Tag im Dienst, arbeitete sich gewissenhaft, fleißig, mit großer Hingabe und Engagement in das Amt ein und bewies allen Zweiflern, dass man sich als Seiteneinsteiger durchaus Respekt und Anerkennung verschaffen kann, auch bei hartnäckigen Verwaltungsleuten. Klaus Bechstein wuchs mit seinen Aufgaben, wurde zu einem Bürgermeister von Format. Er war kühler Analytiker und herzlicher Mann des Volkes in einer Person.

Doch dann kam die Kommunalwahl 1999. Lange sah es nach einer sicheren Wiederwahl des Sozialdemokraten aus. Doch der hatte sich mit ein paar Sparvorschlägen (nächtliches Abschalten der Straßenlaternen, Nutzungsgebühren für Sporthallen) unbeliebt gemacht und geriet zudem in den Sog des Bundestrends: Die SPD ging baden, Bechstein unterlag seiner Nachfolgerin Ute Schreyer, die in der Stichwahl nur rund 700 Stimmen mehr bekam als er. Wer damals dabei war, wird das wie versteinert wirkende Gesicht Bechsteins niemals vergessen. Es dauerte lange, bis der Budberger den Schmerz über die Niederlage überwunden hatte.

Doch Klaus Bechsten war mehr als diese beiden Episoden. Geboren wurde er am 18. November 1943 in einer Bombennacht zu Hause auf dem Küchentisch in Thüringen. Später siedelte die Familie nach Wuppertal über, wo Klaus Bechstein 1965 zusammen mit einem Freund in die SPD eintrat. Als Student klebte er Plakate für Johannes Rau.

1967 wurde er als junger Lehrer an die Budberger Schule geschickt. Jetzt saß er in einem kleinen Ort fest, in dem sich damals Fuchs und Hase gute Nacht sagten. „Spätestens in einem halben Jahr bist du hier wieder weg“, habe er sich geschworen; das beichtete er später einmal. Aber nix da: Bechstein blieb, ging nie mehr aus Budberg weg, Rheinberg und der Niederrhein wurden seine Heimat. Hier kamen Sohn und Tochter zur Welt, hier lebte er viele Jahre mit seiner zweiten Frau Bärbel im schönen Eigenheim, an dem er selbst kräftig mitgebaut hatte. Gerne führte er die Hunde aus oder reiste, am liebsten nach Frankreich. Bärbel und Klaus Bechstein, die noch ihre Silberhochzeit gefeiert haben, hatten lange gehofft, noch einmal in die Bretagne fahren zu können.

In Budberg wurde er das zehnte Mitglied des SPD-Ortsvereins. Ab 1969 mischte er im Gemeinderat mit, arbeitete später an der Kommunalen Neugliederung (ab 1975) mit, gehörte zu denen, die die Ansiedlung eines riesigen petrochemischen VEBA-Werks im Orsoyer Rheinbogen verhinderten. 1979 wurde er Fraktionsvorsitzender im Rat, bevor er 1984 zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt wurde. Im Tandem mit Siegfried Zilske, der ab 1984 20 Jahre lang Fraktionschef war, prägte Bechstein die erfolgreichste Phase der Rheinberger SPD. Stadthausbau (gegen den die Genossen zunächst waren), Innenstadtsanierung, der Bau der Müllverbrennungsanlage, es gab viele spannende Themen zu der Zeit. 1990 besiegelte er zusammen mit seinem Amtskollegen Dirk Trinks die Städtepartnerschaft mit Hohenstein-Ernstthal in Sachsen.

Später, als hauptamtlicher Bürgermeister, profitierte Klaus Bechstein von seiner immensen kommunalpolitischen Erfahrung. Auch das Repräsentieren meisterte er mit Würde, wenn ihm Narrenkappen und Schützenhüte auch nie wirklich standen. Dennoch: Er verstand es zu feiern. Bechstein schaltete und verwaltete erfolgreich, brachte die Sanierung des Underberg-Freibades auf den Weg und bahnte die Ansiedlung des Terrazoos am Melkweg an, um nur zwei Aspekte zu nennen.

Nach seiner Wahlniederlage 1999, so gab er später unumwunden zu, sei er in ein tiefes schwarzes Loch gefallen. Daraus befreite sich der Ehrenringträger nach und nach. Zunächst zog er sich ganz aus der Politik zurück, arbeitete für eine Unternehmensberatung, bevor er beim Awo-Kreisverband Wesel Berufsvorbereitungskurse für lernbehinderte Jugendliche leitete.

Doch die Politik ließ ihn nicht los. Ab 2005 war er Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Regionalrat. Auch zu dieser Zeit bewältigte er noch rund 200 Sitzungen pro Jahr. Von 2009 bis 2014 übernahm Klaus Bechstein noch einmal den Fraktionsvorsitz im Rheinberger Rat. Ab 2014 saß er im Kreistag und setzte in Rheinberg als Sachkundiger Bürger Akzente im Schulausschuss. Fast 50 Jahre war er kommunalpolitisch tätig.

Jetzt ist Klaus Bechstein im Alter von 76 Jahren nach schwerer Krebskrankheit gestorben. Er wird vielen Rheinbergern als Mann der Tat in Erinnerung bleiben, als ein aufrechter Sozialdemokrat und als jemand, der energisch für seine Überzeugungen streiten konnte, ohne dabei seinen Humor, seine Offenheit und seine Lebensfreude zu verlieren.

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