Zustand des Waldes Es drohen Steppenlandschaften in NRW

RVR-Experte Thomas Kämmerling über Trockenheit und Schädlinge: „Sind mit unserem Latein am Ende.“

 Der Borkenkäfer hat den Fichten arg zugesetzt. Nun geht der Schädling auch auf Buchen über und frisst diese kahl.

Der Borkenkäfer hat den Fichten arg zugesetzt. Nun geht der Schädling auch auf Buchen über und frisst diese kahl.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Man bekommt es mit der Angst zu tun, wenn Thomas Kämmerling, Betriebsleiter von RVR Ruhr Grün, über den Zustand des Waldes in Nordrhein-Westfalen spricht. „Es ist ein absolutes Drama“, sagt der Fachmann. „Die Landschaften werden sich stark verändern. Selbst Steppenlandschaften halten wir nicht für unmöglich.

Die Eichen sind von Schädlingen wie Schwammspinner, Frostspanner und Eichenwickler befallen. Und wenn die Bäume Mitte Juni den sogenannten Johannistrieb ausbilden, fallen die Eichenprozessionsspinner über die Bäume her. In die Standhaftigkeit der Buchen hatten die Forstleute große Hoffnungen gesetzt. „Aber auch die leiden extrem“, so Kämmerling. „Wir haben in NRW große Bestände, die komplett absterben.“ Das geschieht vor allem dort, wo die Bäume auf Stauwasserböden stehen, wo unter einer 40 bis 70 Zentimeter dicken Sand- eine Tonschicht liegt. Die mache es den Wurzeln unmöglich durchzudringen. Die Folge: Die Buchen wurzeln flach und vertrocknen schneller.

Die Fichte habe man bereits abgeschrieben. „Sie gilt als nicht mehr zu retten“, so der Betriebsleiter. Die Nadelbäume brauchen eine gewisse Niederschlagsmenge. Sind sie durch große Trockenheit vorgeschädigt, schlägt der nimmersatte Borkenkäfer zu und macht den Bäumen den Garaus. Kämmerling: „Die Fichten haben keine Chance mehr.“ Damit nicht genug. „Unfassbar“ sei ein Phänomen, das bisher in dieser Form noch nie beobachtet worden sei: Der gefräßige Borkenkäfer gehe mittlerweile auch auf Buchen über und fresse auch dort alles kahl.

Die holländische Ulmenkrankheit, das Eschentriebsterben, die aggressive Rußrindenkrankheit bei Ahornbäumen – immer wieder tauchen neue Krankheiten und Schädlinge auf, die den Forstleuten das Leben schwer machen. „Wir sind mit unserem Latein am Ende“, gesteht der RVR-Mann. Seine Kollegen und er kümmern sich um rund 20.000 Hektar Wald in NRW. Es gebe zwar resistente, sogenannte fremdländische Baumsorten wie Douglasie, Roteiche oder Küstentanne, die sich in extremen Trockenphasen bewährt hätten. Doch dürften die nicht ohne Weiteres in Naturschutzgebieten angepflanzt werden. Kämmerling: „Noch haben wir keine Alternative gefunden.“ Und bis die Neulinge groß sind, dauert’s.

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