Konzert zum Doppeljubiläum in Rheinberg Lieder, Literatur und Lebensart

Rheinberg · Günter Gall stammt aus Ossenberg und steht seit 50 Jahren regelmäßig auf der Bühne. Eines seiner Jubiläumskonzerte gab der Liedermacher mit viel Niederrhein im Herzen jetzt in der St.-Anna-Kapelle auf dem Rheinberger Friedhof.

 Günter Gall bei seinem Auftritt am Sonntag in der Rheinberger St.-Anna-Kapelle.

Günter Gall bei seinem Auftritt am Sonntag in der Rheinberger St.-Anna-Kapelle.

Foto: Ostermann, Olaf (oo)

Liedermacher wie er sind selten geworden, aber er ist zum Glück noch da: Günter Gall ist sich stets treu geblieben, hat sich nie verbogen und entwickelt seine Mixtur aus Liedgut, Literatur und Lebensart immer weiter. So steht der gerade 75 Jahre alt gewordene Musiker und Rezitator mit viel Niederrhein im Herzen nach wie vor regelmäßig auf der Bühne – in ganz Deutschland. Und das seit genau 50 Jahren. Eines seiner Jubiläumskonzerte gab Gall, der seit fast 38 Jahren in Osnabrück lebt, in seiner Heimatstadt Rheinberg. In der St.-Anna-Kapelle auf dem Friedhof am Annaberg brachte er am Sonntagnachmittag mit einem rund einstündigen, sehr kurzweiligen Konzert nach zwei Jahren Zwangspause das kulturelle Leben zurück in das kleine Gotteshaus mit bewegter Geschichte.

Heinz-Willi Coopmann vom Kapellen-Verein sagte in seiner Begrüßung, dass es ihn und seine Mitstreiter sehr freue, „hier endlich wieder etwas anbieten zu können“. Dass ausgerechnet Günter Gall der erste sein würde, der wieder in der Kapelle auftritt, freute Coopmann. Denn der Liedermacher stellte sich schon zur Verfügung, als der Trägerverein vor einigen Jahren aus der Taufe gehoben wurde.

Rund 20 Frauen und Männer hatten sich trotz des wunderschönen Sonnenwetters aufgerafft und waren der Einladung des Vereins als Veranstalter gefolgt. Sie sollten es nicht bereuen: Günter Gall nahm seine Zuhörer mit auf eine muntere Reise durch 50 Jahre Gall’scher Musikgeschichte. Und Literatur-Geschichte. Denn die ist bei dem gebürtigen Ossenberger (er wuchs in der Solvay-Siedung an der Zollstraße auf) genauso wichtig wie die Musik. Erich Kästner, Joachim Ringelnatz, Hanns Dieter Hüsch, Mascha Kaléko, Georg Herwegh, Francois Villon – Gall ließ unterschiedliche Dichter, Poeten und Literaten zu Wort kommen. Seine Lieder trug er mal mit der akustischen Gitarre, auf der er feine Arrangements sicher darbot, mal mit Ukulele vor. Gall wäre aber nicht Gall, wenn er nicht auch ein paar Spezial-Instrumente in seinem Koffer gehabt hätte. So entlockte er zwei Holzlöffeln kunstvoll Rhythmen, mal blies er die Maultrommel oder die Mundharmonika, mal imitierte er Blasinstrumente oder eine Geige mit dem Mund. Ein echter Tausendsassa. Zwischendurch flirtete er charmant mit dem Publikum, erzählte Anekdötchen und lud zum Mitsingen und -summen ein.

Vieles von dem, was Gall besang, sind Beschreibungen einer lang zurückliegenden Zeit. Das Ringelnatz-Gedicht „Rheinkähne“ trug er vor und ließ einen Rhein-Song folgen. Sein altes Lied vom „Schereschliep“ (Scherenschleifer) begleitete er, indem er ein Messer über einen Wetzstein strich. Schön auch das Regenlied, eine Vertonung der Worte des Rheinberger Heimatdichters Otto Haus. In seiner Anfangszeit orientierte sich der Liedermacher noch an irischen Songs etwa von den Dubliners. Aus dem Klassiker „Fiddler’s Green“ machte er einen plattdeutschen Abstecher ins Land der Fiddler. An die Revolutionszeit um 1848 erinnerte „Leicht Gepäck“ mir der berühmten Zeile „Ich bin ein freier Mann und singe“. Nicht minder packend ein Lied der Verweigerung namens „Der Deserteur“.

Aus Galls Programm zu 200 Jahren Fahrrad-Historie (von 2017) stammte unter anderem das durch den Niederländer Herman van Veen bekannt gewordene und von Ralph McTell komponierte „Hey kleiner Fratz auf dem Kinderrad“. Zwischen den Liedern stellte Günter Gall – mal mit schwarzer Mütze, mal mit gelbem Südwester auf dem Kopf – sein Talent als Rezitator unter Beweis. Dann trug er ernste wie leichte Gedichte mit ausdrucksstarker Mimik und klarer Stimme vor.

Galls liebenswerte Liedermacherei tat gut an diesem Sonntag im März. Heinz-Willi Coopmann brachte es am Ende treffend auf den Punkt: „Das war eine schöne Stunde“, sagte er. „Lieber Günter, zu deinem 80. Geburtstag in fünf Jahren kannst du gerne wiederkommen.“

(up)
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