Rheinberg Der Bergbau geht, die Folgen bleiben

Rheinberg · Unter Rheinberg wird keine Kohle mehr abgebaut – die Schutzgemeinschaft Bergbaubetroffener macht dennoch weiter.

 Das ist seit sechs Jahren Geschichte: Schichtwechsel im Kamp-Lintforter Bergwerk West.

Das ist seit sechs Jahren Geschichte: Schichtwechsel im Kamp-Lintforter Bergwerk West.

Foto: Dieker, Klaus (kdi)

Das endgültige Ende des Steinkohlebergbaus in Deutschland steht bevor. Die RP hat mit Ulrich Behrens, Sprecher des Vorstandes der Schutzgemeinschaft Bergbaubetroffener (SGB), gesprochen. Die SGB hat sich stets gegen den Abbau insbesondere unter dem Annaberg ausgesprochen und thematisiert bis heute die Folgen des Kohleabbaus.

In wenigen Tagen ist der Steinkohlebergbau in Deutschland zu Ende. Was bedeutet das für Sie?

   Hermann Sarres, Ulrich Behrens und Paul Krispien (von links) bekleben die Litfaßsäule am Holzmarkt und weisen auf das Ende des Steinkohlebergbaus hin.  

Hermann Sarres, Ulrich Behrens und Paul Krispien (von links) bekleben die Litfaßsäule am Holzmarkt und weisen auf das Ende des Steinkohlebergbaus hin.  

Foto: Uwe Plien

Ulrich Behrens Der Bergbau hat über Jahrzehnte mit öffentlichen Geldern Kohle gefördert, die international günstiger zu beschaffen gewesen wäre. Der Bergbau hat aber dabei auch immer weiter privates wie öffentliches Vermögen vernichtet und die Bürgerinnen und Bürger persönlich belastet. Es ist gut, dass das ein Ende hat.

Der Bergbau hat aber doch auch jahrelang Tausenden von Bergleuten Arbeit gebracht.

Behrens Seit 1955 arbeiteten die Kohlegruben nicht mehr wirtschaftlich. Viel eher hätten daher Arbeitsplätze abgebaut werden müssen – und auch können. Es sind in diesen Jahrzehnten eben auch immer wieder Bergleute eingestellt worden. Kein Bergmann ist ins sogenannte Bergfreie gefallen. Anders als Arbeiter zum Beispiel in der Textilindustrie sind Bergleute schon mit 50 bis 55 Jahren in den Vorruhestand entlassen worden.

Welche Rolle hat die SGB bei der Beendigung des Bergbaus gespielt?

Behrens Wir maßen uns nicht an, das Ende des Bergbaus herbeigeführt zu haben. Aber die SGB hat mit Unterstützung vieler Rheinberger Bürgerinnen und Bürger erreicht, dass nicht erst in diesem Jahr 2018, sondern schon seit 2011 beziehungsweise 2012 unter Rheinberger Gebiet nicht mehr abgebaut wurde. Der Annaberg wurde nicht um die geplanten 5,50 Meter sondern nur um etwas mehr als zwei Meter abgesenkt. Selbst die Lineg kann sich über unsere Aktivitäten freuen, können doch die Pumpen an der Fossa bald abgeschaltet werden, weil die geringeren Senkungen das nicht mehr erfordern. Nur zwei der ursprünglich geplanten fünf Abbauten haben unter dem Annaberg stattgefunden. Jeder weitere Abbau hätte wieder verstärkt für Bergschäden und Erdbeben gesorgt. Insofern hat die SGB den Rheinbergern viel Ärger und Leid erspart.

Warum jetzt plakatieren „Bergbau ist zu Ende – die Folgen bleiben“?

Behrens Die Plakataktion ist über den Landesverband Bergbaubetroffener revierweit organisiert. Der Gesellschaft muss bewusst bleiben, dass mit dem Ende des Bergbaus die unsäglichen Folgen nicht beendet sind. Jährliche Pumpkosten von circa 250 Millionen Euro, Probleme mit dem Grubenwasseranstieg und wiederum mögliche Erdbeben zählen unter anderem zu den Folgen. RAG betrachtet alle Maßnahmen unter dem Aspekt der Kostenminimierung. Schutz der Umwelt oder des Trinkwassers spielen nur dann eine Rolle, wenn gesetzliche oder behördliche Vorgaben erfolgen. Leider haben wir eine Bergbehörde, die jeglichen Interpretationsspielraum immer zum Vorteil des Unternehmers ausnutzt.

Ist die SGB denn jetzt nicht überflüssig?

Behrens Die kritische Begleitung von RAG und Bergbehörde bleibt für uns eine wichtige Aufgabe. Daneben ist eine Beobachtung der Höhen im abgesenkten Gebiet in Rheinberg wichtig. Nur bei nachgewiesenen Hebungen ist eine problemlose Schadensregulierung durch die RAG zu erwarten. Die RAG führt keinerlei Messungen mehr durch. Diese Aufgabe übernimmt daher die SGB.

Was bedeutet das Jahr 2018 für die Rheinberger?

Behrens Der Bergbauunternehmer gesteht inzwischen zu, dass Bergschäden auch fünf Jahre nach dem Ende des Bergbaus auftreten können. Wenn die Schäden dann aber sichtbar sind, muss der Betroffene sich innerhalb von drei Jahren an die RAG zwecks Regulierung wenden – sonst droht die Verjährung. Die Bürger erhalten trotz anerkannter Bergschäden keinerlei Zahlungen mehr. Nach dem Ende des aktiven Bergbaus bezieht sich die Ruhrkohle immer mehr auf die Verjährung. Unter Rheinberg wurde zum letzten Mal in den Jahren 2011 beziehungsweise 2012 abgebaut. Es wird also spätestens im nächsten Jahr ganz dringend.

Was ist dann zu tun?

Behrens Jeder Immobilienbesitzer sollte noch einmal mit kritischem Blick durch sein Haus gehen und genau auf Risse und ähnliches achten. Das gilt auch für solche Winkel und Ecken, die man sonst vielleicht nicht so oft betrachtet. Das betrifft gerade hier in Rheinberg auch diejenigen Bürger, bei denen in der Vergangenheit Schäden reguliert wurden. Das Argument „Sollen sich meine Erben drum kümmern“ hilft da nicht. Bekannte beziehungsweise sichtbare Schäden sind dann wahrscheinlich verjährt. Auch beim Verkauf einer Immobilie wird die RAG das Argument „Das ist doch immer reguliert worden“ für den Käufer nicht mehr gelten lassen. Bergschadensregulierung ist also auch ein wichtiger Aspekt der Werterhaltung.

Also konkret?

Behrens Bei festgestellten Schäden unverzüglich mit der RAG (Telefon 0800 2727271) Kontakt aufnehmen. Bei Schwierigkeiten kann unter Umständen auch die SGB im Rahmen ihres monatlichen Stammtischs oder über die Schlichtungsstelle Steinkohlenbergbau helfen. Der nächste Stammtisch ist am 8. Januar, 19.30 Uhr, in der Gaststätte Schopsbröck auf der Römerstraße.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort