Bäckereischließung in Rheinberg Nach 85 Jahren bleibt der Backofen kalt

Orsoy · Viola Schmitt-Hoffacker gibt den Betrieb der traditionsreichen Familienbäckerei in Orsoy Ende April auf. Noch hofft sie auf einen Nachfolger.

 In dritter Generation hat Viola Schmitt-Hoffacker die Bäckerei in Orsoy in den vergangenen zehn Jahren allein verantwortlich geleitet.

In dritter Generation hat Viola Schmitt-Hoffacker die Bäckerei in Orsoy in den vergangenen zehn Jahren allein verantwortlich geleitet.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Seit 85 Jahren durchzieht der Duft nach frischem Brot und Gebäck die Orsoyer Egerstraße. Doch damit soll bald Schluss sein. Denn die traditionsreiche Bäckerei Quintin Schmitt will Ende April den Betrieb und das Geschäft aufgeben. Damit verliert das kleine Rheinstädtchen ein weiteres Traditionsgeschäft. Die Verkaufsstelle im Getränkemarkt Kaspba in Orsoyerberg hat bereits Ende Januar den Betrieb eingestellt.

Viola Schmitt-Hoffacker hat die vage Hoffnung allerdings noch nicht aufgegeben, einen Nachfolger zu finden. „Stand heute ist, dass wir am 30. April schließen werden. Konkrete Zusagen von Nachfolgern gibt es noch nicht“, so die 42-Jährige, die seit zehn Jahren allein verantwortlich die Geschicke der Bäckerei leitet. Es sind keineswegs wirtschaftliche Gründe, die Schmitt-Hoffacker zu diesem Schritt gezwungen haben. „Das Verkaufspersonal hat in den vergangenen Jahren kaum gewechselt. Dagegen waren für die Backstube kaum geeignete Leute zu finden“, so die Inhaberin. „In den letzten zehn Jahren haben wir drei Azubis gehabt, die alle nach wenigen Wochen ihre Ausbildung geschmissen haben. Und von der Arbeitsagentur sind uns Bewerber für den Bäckerjob zugewiesen worden, aber da war kein geeigneter Kandidat dabei“, beschreibt die 42-Jährige die erfolglose Suche.

So steuert eine lange Familientradition unaufhaltsam auf ihr Ende zu. 1935 erwarb ihr Großvater, Quintin Schmitt, das Anwesen an der Egerstraße und versorgte die Orsoyer mit leckeren Backwaren. Hans-Werner Schmitt übernahm den Betrieb in zweiter Generation. Doch ein schwerer Schicksalsschlag traf die Familie 2010. Der Bäckermeister verstarb im Alter von nur 57 Jahren. Die Nachfolge musste schnellstens geregelt werden, damit der Betrieb weiterlaufen konnte. Tochter Viola, gelernte Bäckerei-Fachverkäuferin, übernahm. „Eigentlich wollte ich ja Berufsschullehrerin werden“, erzählt sie. „Aber so ist es nun einmal in einem Familienbetrieb, da müssen dann auch die Kinder mithelfen“, sagt die Mutter zweier Kinder, zwölf und drei Jahre alt.

 Lange her: Quintin Schmitt, der Unternehmensgründer und Großvater von Viola Schmitt-Hoffacker, bei der Arbeit in der Backstube in Orsoy.

Lange her: Quintin Schmitt, der Unternehmensgründer und Großvater von Viola Schmitt-Hoffacker, bei der Arbeit in der Backstube in Orsoy.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

„Am Anfang habe ich es gerne gemacht, aber mit der Zeit ist mir die Sache einfach über den Kopf gewachsen“, erzählt sie im Gespräch mit der RP. Und wenn ihre Kunden die Fernseher zur Tatort-Zeit einschalten, dann rief für Viola, wie sie in weiten Kreisen der Orsoyer Bevölkerung vertraut genannt wird, das Bett. Und um 1 Uhr klingelte wieder der Wecker. Dann stand sie in der Backstube ihre Frau. Mit der Zeit wurde die Lage in personeller Hinsicht immer prekärer. „Ich bin froh, dass meine Familie immer hinter mir gestanden hat.“ Denn wenn Schmitt-Hoffacker zur Mittagszeit den Betrieb verlässt, ist noch lange nicht Schluss. „Es müssen Bestellungen gemacht werden, die Bücher in Ordnung gehalten oder der Steuerberater aufgesucht werden“, zählt sie auf.

Und was macht die Bäckerei-Chefin, nachdem sie am 30. April die Ladentür abgeschlossen hat, der Backofen kalt bleibt und sie keine Bäckerei-Chefin mehr ist? „Bis zum Jahresende werde ich mich erst einmal von dem Stress erholen und dann werden wir weitersehen“, sagt sie. Im Mittelpunkt stehen dann vor allem ihre beiden Kinder, die dann mehr von ihrer Mama haben werden.

Aber noch bleibt die Hoffnung, dass sich bis zum 30. April ein Interessent für die traditionsreiche Backstube findet. Wenn’s so wäre, würde weiter der Duft von Backwaren über die Egerstraße ziehen.

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