Austauschschüler aus Moldawien In der Nachbarschaft tobt der Krieg
Rheinberg/Alpen · Über den Verein „Hilfe für Copceac“ gibt es seit 20 Jahren enge Kontakte in die Republik Moldau. Zehn Austauschschülerinnen und -schüler aus dem osteuropäischen Land waren jetzt zu Gast in Rheinberg an der Europaschule.
Alpens ehemalige Schulleiterin Edith Catrein-Diering kann sich noch sehr gut daran erinnern, als sie auf Einladung der Deutsch-Lehrerin Domnika Manolowa zum ersten Mal den kleinen Ort Copceac in Moldawien besuchte: „Das war der Schock meines Lebens. Die Fenster waren kaputt, das Trinkwasser stand den ganzen Sommer über in Regentonnen und die Toilette bestand aus einem Loch im Garten. Eine solche Armut habe ich nicht erwartet.“
Das war vor 20 Jahren. Kaum wieder zu Hause, gründete Catrein-Diering der Verein „Hilfe für Copceac“, der zunächst Hilfslieferungen in die Region brachte, später Wasserleitungen verlegte und mithalf, die Infrastruktur zu verbessern. Unterstützt werden sie dabei von Arbeit und Leben, einer Weiterbildungseinrichtung des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Volkshochschulen in Nordrhein-Westfalen.
Inzwischen hat sich die Situation nicht zuletzt durch die großzügige Unterstützung der EU stark verbessert. Seit sechs Jahren findet zudem ein Schüleraustausch mit der Rheinberger Europaschule statt. Nun waren zehn Schülerinnen und Schüler aus der ehemaligen Sowjetrepublik zu Besuch in Deutschland. Ein zunächst mühseliges Unterfangen, weiß Catrein-Diering: „Sie waren 38 Stunden in einem Kleintransporter unterwegs und bereuen es trotzdem nicht.“
Auch, weil sie den Krieg hautnah mitbekommen. „Die Ukraine ist nur 500 Meter von ihrem Dorf entfernt. Sie gehen weiterhin dort einkaufen, weil dort alles viel billiger ist, auch wenn sie die Einschläge der Raketen hören können“, erzählt Edith Catrein-Diering, die mit dem Verein in Copceac vor einigen Jahren eine Sozialstation errichtet hat. Um den Menschen dort die Möglichkeit zu bieten, sich selber zu helfen, wird diese Station jetzt zu einem Minihotel mit vier Zimmern erweitert. „Es kommen immer wieder Wandertouristen und Naturliebhaber in diese Gegend. Sie besichtigen dort die einzige noch in Betrieb befindliche Kolchose Europas und freuen sich über eine Übernachtungsmöglichkeit“, erzählt die Realschulleiterin im Ruhestand.
Die Schülerinnen und Schüler aus Copceac sind bei Gasteltern in Rheinberg und Umgebung untergekommen. Am vergangenen Samstag hat die Delegation das Jubiläumsfest ihrer Partnerschule besucht und Spezialitäten aus ihrer Region angeboten wie etwa Pizza mit Schafskäse. Dabei kamen sie immer wieder mit Besuchern ins Gespräch. Ein Thema dabei war der Krieg im Nachbarland. „Natürlich haben sie große Angst vor dem Krieg und davor, dass Putin auch ihr Land überfallen könnte. Die Menschen dort möchten einfach nur in Frieden leben“, erzählt die Europaschullehrerin und Dolmetscherin Olga Hammacher.
Besonders berührt hat es viele, dass den Kindern aus dem Ort im Süden Moldawiens ein klassisches Familienleben fremd ist. „Sie wachsen fast alle bei ihren Großeltern auf, weil ihre Eltern in anderen Ländern arbeiten müssen, um die ihre Familien zu versorgen. Inzwischen leben dort nur noch 7000 überwiegend alte Menschen“, erklärt Edith Catrein-Diering. Den Ort aufgeben wollen sie auf keinen Fall, im Gegenteil: Auf Initiative eines russisch-orthodoxen Pfarrers bauen die Menschen dort gerade eine Kathedrale. Catrein-Diering: „Jede Straße muss reihum zwei Wochen lang Männer für den Bau abstellen, während die Frauen das Essen bringen.“