Rheinberg Rentier-Baby nuckelt im Wohnzimmer

Rheinberg · Weil die Rentierkuh ihr Junges nach der Geburt nicht angenommen hat, zieht Maik Elbers, Leiter der Tierpflege im Wildpark Anholter Schweiz, die drei Wochen alte Svenja in seiner Wohnung in Wallach auf.

 Mit jeweils 300 Milliliter aus den USA importierter Ziegenmilch stillt Maik Elbers den Durst und Hunger von Svenja.

Mit jeweils 300 Milliliter aus den USA importierter Ziegenmilch stillt Maik Elbers den Durst und Hunger von Svenja.

Foto: Olaf ostermann

Es ist nicht gerade ein typisches Haustier, das derzeit durch die Wohnung von Maik Elbers stakst, aber es benimmt sich ein bisschen so: Svenja hat eine Vorliebe für Schnürsenkel entwickelt, folgt ihrem Ziehvater auf Schritt und Tritt und hört sogar schon auf ihren Namen. Svenja ist allerdings kein Hundewelpe, sondern ein rund drei Wochen junges Rentiermädchen, dessen Anblick meist völliges Entzücken auslöst. Wen wundert's: Mit den großen braunen Augen, dem weichen Fell und dem noch ungelenken Gang ist das Kleine einfach zum Knuddeln.

Die Geschichte dahinter ist allerdings weit weniger entzückend: "Die Rentierkuh hat ihr Junges nach der Geburt nicht angenommen", berichtet Maik Elbers, der seit sieben Jahren als Leiter der Tierpflege im Wildpark Anholter Schweiz arbeitet. Das hätte in der Natur - ohne menschliches Eingreifen - den sicheren Tod für das Jungtier bedeutet. Natur hin, Natur her - Elbers fackelte nicht lange, packte das damals vier Kilo schwere Bündel und nahm es mit nach Hause, um es mit der Flasche aufzuziehen.

Seitdem bestimmt Svenja seinen Tagesablauf. Rund um die Uhr, Tag ein, Tag aus. Sein Bett hat Elbers vorübergehend auf der Wohnzimmercouch aufgeschlagen. Weil's einfacher ist, sagt er. Denn auf dem Laminat im Schlafzimmer gerät "Svenja" ins Schlindern. Teppiche und einige Bereiche der Wohnung hat er mit alten Decken abgedeckt. Der Hygiene wegen. "Zimperlich darf man nicht sein, aber das sind Tierpfleger ohnehin nie", erklärt der Alpener, der seit wenigen Monaten in Rheinberg wohnt.

Anfänglich wollte das Rentiermädchen alle zwei, jetzt nur noch alle zweieinhalb Stunden gefüttert werden. Aufschub gewährt Svenja nicht, auch nicht nachts. "Dann stupst sie mich so lange an, bis ich ihr die Flasche mache", erzählt der 39-Jährige aus dem durchaus anstrengenden Alltag als Ziehvater eines Rentier-Babys. Das hat übrigens einen ordentlichen Zug. Jeweils 300 Milliliter der aus den USA importierten, sündhaft teuren Ziegenmilch sind schnell verputzt. Das Geburtsgewicht von vier Kilogramm hat sich bereits mehr als verdoppelt.

Pappsatt macht es sich Svenja nach der Fütterung auf der Decke hinter dem Sofa gemütlich, schläft und - man glaubt es kaum - schnarcht leise vor sich hin. "Sie ist absolut platt, weil sie heute schon gute zwei Kilometer zurücklegen musste", erzählt der zweifache Vater und lacht.

Ein probates Mittel, um abends im Wohnzimmer für Ruhe zu sorgen. Zeit für Maik Elbers, Ordnung zu schaffen und rasch einige Dinge zu erledigen. Denn alleine lassen, kann er das Jungtier nicht. Rentiere sind Herdentiere, sie brauchen Nähe und Gesellschaft. Nicht zuletzt deshalb werden auch "Schmusestunden" eingelegt. Macht es da nicht traurig, wenn Svenja in Kürze wieder auszieht? "Kein bisschen - dann reicht es auch", sagt Elbers pragmatisch.

Emotionale Bindung ans Tier und tierpflegerische Notwendigkeit schließen sich nicht aus. Als Pfleger sehe man die Tierwelt eben nicht durch die rosarote Brille.

Während Maik Elbers arbeitet, verbringt Svenja die Stunden übrigens bei den Damen im Kassenhäuschen des Wildparks Anholter Schweiz. "Die verzichten derzeit weitgehend auf Schuhe mit Schnürsenkeln", ulkt der Rheinberger. Mittlerweile ist Svenja der absolute Star im Wildpark. Mitarbeiter und Besucher haben das Tier gleichermaßen ins Herz geschlossen, das jetzt immer öfter auch bei Rundgängen mit dabei ist.

(nmb)
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