Alpen Premiere: Verbotene Liebe in Kabul

Alpen · Sayed Omid Sami ist aus Afghanistan geflohen, weil sein Spielfilm aneckte. Er wurde bedroht. Heute lebt er in Alpen. Flüchtlingspate Patrick Depuhl half. Sonntag läuft der Film mit Untertiteln in Essen.

 Sayed Omid Sami erläutert Patrick Depuhl das Originalplakat zu seinem Film, der in seiner Heimat feindliche Reaktionen hervorgerufen hat.

Sayed Omid Sami erläutert Patrick Depuhl das Originalplakat zu seinem Film, der in seiner Heimat feindliche Reaktionen hervorgerufen hat.

Foto: Armin Fischer

Sayed Omid Sami ist die Freude anzumerken. Er strahlt, denn am Sonntag wird sein Spielfilm endlich öffentlich zu sehen sein. Und dann auch noch an einem historischen Ort, im Essener Filmstudio "Glückauf", dem ältesten Kino im Ruhrgebiet.

Eigentlich hatte sich der afghanische Drehbuchautor, Produzent und Schauspieler alles ganz anders vorgestellt, als er vor vier Jahren in seiner Heimatstadt Kabul seinen ersten Spielfilm "Ethics of Love - Verbotene Liebe" drehte. Er finanzierte ihn, er schrieb das Drehbuch und er spielte auch die Hauptrolle.

Sayed Omid Samis Ziel war es, seinen Landsleuten einmal etwas Neues zu präsentieren, etwas Positives. Er wollte nicht, wie sonst in den Filmen seiner Heimat üblich, nur das Afghanistan zeigen, das darniederliegt, er wollte einmal nicht von Drogenschmugglern und Kidnappern erzählen. In seinem Film sollte es um Liebe gehen.

Und das wurde ihm zum Verhängnis. Weil es das Liebespaar, das er auf die Leinwand brachte, in Afghanistan nicht geben durfte: Seine Hauptfigur, ein junger Moslem, den Sayed selbst spielt, verliebt sich in ein Hindu-Mädchen. Die Hindus machen nur ein Prozent der afghanischen Bevölkerung aus, und eine familiäre Verbindung zwischen ihnen und den 99 Prozent Moslems ist verboten. Und das, obwohl die radikalislamistischen Taliban nicht mehr an der Regierung sind.

Als der Streifen fertig war, hatte die Filmgesellschaft eine nichtöffentliche Vorführung für Leute aus der Branche wie Schauspieler und Regisseure anberaumt, eine Art Vorpremiere. Doch es sprach sich herum in Kabul, worum es in "Ethics of Love" ging. Auch in den Moscheen, in denen noch viele Kontakte zu den Taliban bestehen, war es angekommen.

Und dort machte dann die Runde, dass Sayed mit seinem Film die Menschen zu verbotener Liebe ermutige. Es wurden Drohungen laut. Doch Sayed blieb erst einmal in Kabul. Dann beging der heute 25-Jährige den nächsten Fehler. Er glaubte, er lebe in einem Land, in dem zumindest ansatzweise demokratische Regeln galten. Er wurde politisch aktiv, gegen die Taliban, aber auch gegen die derzeitige Regierung. Und da wurden die Drohungen dann lauter. Ihm blieb nur, in einen Flieger in die Türkei zu steigen.

Von dort ging es weiter auf eine griechische Insel, mit dem Schlauchboot. Daran hat er böse Erinnerungen. Italien war die nächste Etappe, dann durch Mazedonien, bis zur österreichischen Grenze. Schließlich brachte man ihn von dort aus mit dem Bus nach Köln.

Seit einem Jahr lebt Sayed nun in Alpen, zusammen mit seinem Bruder, der zu Fuß durch den Iran nach Deutschland gekommen ist. Sayed spricht fließend Englisch, kann sich aber inzwischen auch schon recht gut auf Deutsch durchschlagen.

Er freundete sich mit Patrick Depuhl von der Alpener Flüchtlingshilfe an. Und der ließ seine Kontakte spielen. "Ethics of Love" wurde mit deutschen Untertiteln versehen, und das Essener Filmstudio Glückauf erklärte sich bereit, den Film am kommenden Sonntag um 12 Uhr, zu bester Matinée-Zeit, erstmals der Öffentlichkeit vorzustellen. Weltpremiere. Danach hat das Publikum dann die Möglichkeit, mit dem Filmemacher zu diskutieren.

"Es ist, als öffnet sich eine Tür", sagt Sayed. Zwar hat er eigentlich Wirtschaftswissenschaften studiert, doch seine Zukunft sieht er beim Film. "Ein kleines eigenes Studio ist mein Traum", sagt er und lächelt. Derzeit schreibt er an einem Roman. Der spielt nicht mehr in Afghanistan, sondern in Deutschland. Er hofft, dass aus dem Stoff auch irgendwann ein Drehbuch wird.

Wenn sich am Sonntag zum ersten Mal der Vorhang für "Ethics of Love - Verbotene Liebe" öffnet, wird sich Sayed Omid Sami wieder die Frage aufdrängen, was aus der Schauspielerin geworden ist, die das Hindu-Mädchen spielt. Von ihr fehlt bereits seit jener Vorpremiere in Kabul jede Spur. Mit etwas Glück ist auch sie ins Ausland geflohen.

(evka)
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