Veener Dorfgespräche Der „Dorfpapst“ rät: Kräfte bündeln

Niederrhein · Rund 250 Besucher vom ganzen Niederrhein kamen zur Premiere der Veener Dorfgespräche auf den Spargelhof Schippers. Nach dem Vortrag von Prof. Gerhard Henkel gab’s eine rege Podiumsdiskussion. Neuauflage geplant.

 „Veener Dorfgespräche“ mit Prof. Henkel (v.l.), Leo Giesbers, Cordula Gietmann, Moderator Sebastian Falke, Lena Dames und Peter Mosler.

„Veener Dorfgespräche“ mit Prof. Henkel (v.l.), Leo Giesbers, Cordula Gietmann, Moderator Sebastian Falke, Lena Dames und Peter Mosler.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Die Premiere der von der Volksbank Niederrhein und der Rheinischen Post präsentierten „Dorfgespäche“ auf dem Spargelhof Schippers in Veen fand in der ausverkauften Festscheune statt. Rund 250 Gäste vom ganzen Niederrhein, viele auch aus dem Kreis Kleve, waren gekommen, um zwei Stunden lang angeregt über die Zukunft des Dorfes zu diskutieren. Schon vor dem Start mit dem Impulsreferat von Prof. Gerhard Henkel (Uni Essen) entwickelten sich bei Kartoffelsuppe, Vollkornhappen und Möhreneintopf im Gläschen angeregte Gespräche – die Vorfreude auf ein illustres Netzwerktreffen der Dörfler war spürbar.

Veens Ortsvorsteher Michael van Beek, einer der Initiatoren der Veranstaltung, war zufrieden ob der Resonanz. „Wir haben wohl einen Nerv getroffen“, sagte der Mann mit demonstrativ dörflichem Selbstbewusstsein – die Veener Skyline auf grünem T-Shirt unterm Sakko – sichtlich erleichtert.

Auch als Platzanweiser ließ er erkennen, dass in Veen die Kirche im Dorf steht. „Es ist wie beim Hochamt, hinten stehen sie, und vorne sind noch Plätze frei.“ Er rückte die Erwartungshaltung zurecht. Man könne „keine Patentrezepte“ erwarten. Es gehe darum, ein Bewusstsein zu schaffen für die Stärke des ländlichen Raums, gemeinsam die Stimme zu erheben, um auf großer Bühne gehört zu werden.

Das Eis war gebrochen. „Dorfpapst“ Gerhard Henkel hatte das Wort. Nicht gerade eine rheinische Frohnatur, eher mit westfälischem Understatement bot der bundesweit geschätzte Forscher eine profunde Bestandsaufnahme des Zustandes der 35.000 Dörfer in der Republik, in denen rund die Hälfte aller Bundesbürger leben. Viele erlebten „reale Verluste“ in ihren Dörfern. Das trübe die Stimmung.

Die Kernthesen des Geographen sind aufrüttelnd. Die Politik in den Rathäusern sei zunehmend damit beschäftigt, „Schrumpfungsprozesse zu bekämpfen“ – Kneipen knipsen ihre Lichter aus, Läden halten Ausverkauf, Schulen schließen, Bäder gehen baden. Ein großes Dilemma sieht Henkel in der „Entmündigung“ der Kommunen durch die „große Politik“. Die sei Ursache für weit verbreitete Ohnmachtsgefühle. Lokale Entscheidungsspielräume seien nur marginal. „Die kommunale Selbstverwaltung steht nur noch auf dem Papier.“

Die örtliche Politik stecke im permanenten Abnutzungskampf. Doch das Dorf könne sich nur selber retten. Politisch habe die ländliche Region an Kraft eingebüßt. „Die Kräfte des Landes sind zersplittert“, heißt der Befund. Um sich Gehör zu verschaffen, müssten die „Kräfte gebündelt“ werden. Dass sich da was entwickle, zeige sich daran, dass Heimat-Ressorts einführt werden. „Ein Signal“ für ein Umdenken, so der Dorfpapst.

Bei der Podiumsdiskussion, an der sich das Publikum rege beteiligte, wurde deutlich, dass sich viele die Lösung der Fesseln für bauliche Entwicklung wünschen. Die „Wucht des demographischen Wandels zu mildern“, Zuzug und Bleiben junger Familien zu fördern, bräuchte die Chance, Bauland auszuweisen. Nur so könne dörfliche Infrastruktur gesichert werden. Guido Lohmann, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Niederrhein nannte eine alarmierende Zahl: Alpen werde in den nächsten 20 Jahren 17 Prozent der Einwohner verlieren.

Ortsvorsteher van Beek sagte, dass die Veener Dorfgespräche gerade erst begonnen hätten. Fortsetzung folgt.

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