Rheinberg Passionsaltar bald bei den Protestanten

Rheinberg · Der restaurierte Brüsseler Schnitzaltar kann nicht in die St.-Nikolaus-Kirche zurück. Sie ist feucht und muss aufwendig saniert werden. Der Ort setzt auf gelebte Ökumene: Der Altar kommt in die Evangelische Kirche Orsoy.

 Vor zwei Jahren ist der Altar in der St.-Nikolaus-Kirche abgebaut worden.

Vor zwei Jahren ist der Altar in der St.-Nikolaus-Kirche abgebaut worden.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Zwei Jahre sind vergangen, seit der mehr als 500 Jahre alte Brüsseler Schnitzaltar in der Orsoyer St.-Nikolaus-Kirche abgebaut wurde. Die auch als Passionsaltar bekannte Besonderheit mit vier bemalten Flügeln entstand um 1500 in der Brüsseler Werkstatt des flämischen Malers Colijn de Coter, der später den Beinamen Master van Orsoy bekam. Damals handelte es sich um eine Auftragsarbeit für die ehrwürdige weiße Kirche in der Ortsmitte - heute Evangelische Kirche, damals noch katholisch. In den Wirren der Reformation überlebte der Altar den Bildersturm fanatischer Protestanten und fand sich weit später in der neu gebauten katholischen Kirche wieder (um 1638).

Am Ende des Zweiten Weltkrieges erlitt der Altar schwere Schäden. "Das ist ein wunderschönes, erhaltenswertes Stück", so Pfarrer Wolfgang Schmitz. "Europaweit einmalig, ein qualitativ hochwertiger Altar." Sensationelle Ergebnisse ergaben Untersuchungen im Jahre 2006, die mit Infrarot in die Tiefe gingen. Da offenbarten sich schwere Schäden, teils verursacht durch Einschüsse, die eine aufwendige Restaurierung erforderten.

 Dechant Wolfgang Schmitz von St. Peter (links) und sein evangelischer Kollege Uwe Klein in der Evangelischen Kirche in Orsoy.

Dechant Wolfgang Schmitz von St. Peter (links) und sein evangelischer Kollege Uwe Klein in der Evangelischen Kirche in Orsoy.

Foto: Armin Fischer

Nun sind die Arbeiten am Altarretabel (Aufsatz) von St. Nikolaus nahezu abgeschlossen, gekostet hat die umfangreiche Aufarbeitung rund 165.000 Euro. "Der Altar könnte jetzt zurück in unsere Kirche", sagt Dechant Wolfgang Schmitz. "Allerdings geht das nicht, weil sich bei der letzten Baubegehung der St.-Nikolaus-Kirche deutliche Baumängel und Feuchtigkeitsschäden gezeigt haben. Es regnet in die Kirche hinein, vom Boden steigt Feuchtigkeit auf, es sind Risse in den Wänden und teilweise fallen Putz und Mauerwerk herunter." Wie die Kirche saniert wird, wird zurzeit mit dem Leiter der Restaurierungswerkstätten des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) abgestimmt. So viel steht fest: Die Sanierung wird locker zwei bis fünf Jahre dauern.

Wolfgang Schmitz: "Die zuständigen Stellen beim LVR und beim Generalvikariat in Münster haben sich eindeutig gegen eine Rückführung des Altarretabels in die Kirche ausgesprochen." Nun hatte die Kirchengemeinde zwei Möglichkeiten: Entweder kann der Altar für die nächsten Jahre im Denkmalamt der Abtei Brauweiler eingelagert werden und wäre dann lange Zeit nicht zu sehen. Oder man sucht einen anderen Ort, an dem das Kunstwerk ausgestellt werden kann.

Man entschied sich in Orsoy für Variante zwei: Der Altar wird ab Mitte Februar übergangsweise in der Evangelischen Kirche aufgebaut. "Unser Presbyterium hat nicht lange gezögert, als die Anfrage von Pastor Schmitz an uns gerichtet wurde", sagt Uwe Klein, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Orsoy. "Es gab sofort ein einstimmiges Votum dafür." Der Altar sei zwar für eine reformierte Kirche ungewöhnlich, "aber so kann er nach Jahrhunderten mal wieder Heimatluft schnuppern", so Klein augenzwinkernd in Anspielung auf die Tatsache, dass er bis zur Reformation in der damals noch katholischen Kirche stand. Bald soll der Altar einen Platz mitten in der Evangelischen Kirche bekommen.

Für Uwe Klein ist dieser Dienst auch aus einem anderen Grunde selbstverständlich. "Wir setzen hier auf Ökumene. Als unsere Kirche saniert wurde, hat uns die katholische Gemeinde gerne ihr Gotteshaus zur Verfügung gestellt. Jetzt können wir uns revanchieren."

(RP)
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