Rheinberg Messerstecher kann sich nicht erinnern

Rheinberg · Im Januar hat Mohamud A. aus Somalia in der Zentralen Unterbringungs-Einrichtung in Orsoy einen Landsmann schwer verletzt. Seit gestern steht der 29-Jährige wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht.

Der Angeklagte (29, Mitte) mit seinem Rechtsanwalt Steinert (rechts) und dem Dolmetscher aus Köln (links). Seit gestern muss sich der Flüchtling aus dem afrikanischen Somalia vor dem Landgericht in Kleve wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verantworten.

Der Angeklagte (29, Mitte) mit seinem Rechtsanwalt Steinert (rechts) und dem Dolmetscher aus Köln (links). Seit gestern muss sich der Flüchtling aus dem afrikanischen Somalia vor dem Landgericht in Kleve wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verantworten.

Foto: Gottfried Evers

Der Fall ist eindeutig, die Tat sogar auf einem Video festgehalten: Sonntag, 22. Januar 2017, kurz vor 18 Uhr in der Zentralen Unterbringungs-Einrichtung (ZUE) in Orsoy. Im Speiseraum sitzen Asylsuchende an mehreren Tischen beim Abendessen. In der Schlange an der Essensausgabe steht auch Mohamud A., ein Somalier. Als er an der Reihe ist, packt der 28-Jährige seinen gefüllten Teller auf das Tablett, zieht sich noch einen Kaffee im Automaten, geht zu einem Tisch, an dem bereits drei Männer sitzen und essen. Er stellt das Tablett auf dem Tisch ab, ergreift plötzlich das Besteckmesser, läuft nach rechts und rammt einem ahnungslosen Mann, der am Ende des Tisches sitzt, von hinten das Messer in die linke Halsseite. Das Opfer: Ismail M., ein 31-jähriger Landsmann. Die RP berichtete damals über den Fall.

Seit gestern muss sich der 28-Jährige, der seither in Untersuchungshaft in der JVA Willich sitzt, dafür vor dem Landgericht in Kleve verantworten. Die Staatsanwältin wirft ihm vor, heimtückisch versucht zu haben, einen Menschen zu töten. Acht Zentimeter tief sei der Stich gewesen, das Messer habe den Kanal unmittelbar hinter der Halsschlagader getroffen. "Die lebensgefährliche Stichverletzung hätte zum Tod führen können", führt die Staatsanwältin aus. Der Geschädigte, der vier Wochen im Krankenhaus lag und heute in der Nähe von Düsseldorf lebt, hat heute noch Schmerzen; durch den Stich, so erklärt das Opfer gestern vor Gericht, seien zwei Nerven getroffen worden, seitdem hänge das linke Augenlid herunter, die Sehkraft sei eingeschränkt.

Der Tat vorausgegangen war eine Auseinandersetzung vormittags im gemeinsamen Zimmer, das Angeklagter und Opfer mit zwei weiteren Asylsuchenden aus Somalia teilten. Es ging um einen Tisch, der dreckig gewesen sei, auf dem Essensreste gestanden hätten. Er habe den 28 Jahre alten Landsmann aufgefordert, den Tisch sauber zu machen; der habe sich geweigert, führte das spätere Opfer vor Gericht aus. Plötzlich sei der 31-Jährige auf ihn zu gegangen, habe ihm einen Faustschlag ins Gesicht verpasst, so der Angeklagte. Dadurch sei er zu Boden gegangen und kurz bewusstlos gewesen. Er sei dann zur Security gegangen, mit dem Taxi zum Krankenhaus gefahren, Ärzte hätten dort seine Verletzung behandelt.

Bei der weiteren Schilderung bricht der Angeklagte im Gerichtssaal in Tränen aus: "Ich hatte nicht vor, ihn zu töten." "Was wollten Sie denn dann mit dem Messer?", will der Vorsitzende Richter Jürgen Ruby wissen. Er könne sich nicht erklärern, warum er zum Messer gegriffen habe, und er könne sich auch nicht daran erinnern, zugestochen zu haben, so der Angeklagte, der zwei Kinder hat (acht und neun Jahre alt) und als 20-Jähriger Somalia "wegen der katastrophalen Sicherheitslage" verließ - über Äthiopien, Sudan, die Sahara, Libyen, mit dem Boot nach Italien, von da zwei Jahre später nach Schweden. Seit Dezember 2016 ist er in Deutschland. Mit dem späteren Opfer gab es keine Probleme, man war befreundet, half sich gegenseitig, erklärten beide übereinstimmend. Drei Polizisten und zwei Sicherheitsfachkräfte, die in der ZUE Orsoy arbeiten, wurden gestern als Zeugen gehört. Der Prozess wird morgen fortgesetzt.

(RP)
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