Alpener Erwin Kohl mit erster Webcam-Lesung Das Lampenfieber des Krimi-Autors

Alpen · Premiere für den erfahrenen Autor Erwin Kohl aus Alpen: Er hat online gelesen und berichtet von seinen Gefühlen vor der Webcam und mit unsichtbarem Publikum. Den nächsten Niederrhein-Fall will er wieder live vorstellen.

 Der Alpener Autor Erwin Kohl hat erstmals aus seinem Niederrhein-Krimi für ein Online-Publikum gelesen.

Der Alpener Autor Erwin Kohl hat erstmals aus seinem Niederrhein-Krimi für ein Online-Publikum gelesen.

Foto: Kohl

„Hast du Lust, am 8. November im Rahmen der Krefelder Krimitage in der Markuskirche in Fischeln zu lesen. Wir dürfen 70 bis 80 Besucher hinein lassen.“ So lautete die Anfrage von Ina Coelen, Organisatorin und Gründerin der Veranstaltungsreihe. Das war im Juni vergangenen Jahres. Zu einem Zeitpunkt, als die Verkündung der aktuellen Inzidenzzahlen noch nicht so selbstverständlich war wie der tägliche Wetterbericht.

Hoffnung breitete sich aus. Einen einzigen Auftritt hatte ich bis dahin, bei der Landesgartenschau in Kamp-Lintfort unter freiem Himmel. Rund ein Dutzend Lesungen wurden abgesagt. Für uns Autoren bedeutet dies nicht nur einen schmerzhaften Einnahmeverlust. Es sorgt auch dafür, dass ein Roman, an dem man ein Jahr lang gearbeitet hat, mangels Reklame in der Flut von Abertausenden Neuerscheinungen untergeht.

Immerhin verkündeten vorsichtige Prognosen ein Ende der Durststrecke. Doch kaum hatten Christina Beyerhaus und ihre „Montagsfrauen“ als Veranstalter die 50 Plakate in Krefeld verteilt, schlug die Pandemie abermals zu. Um eine erneute Absage zu vermeiden, wurde Anfang März als vermeintlich sicherer Ausweichtermin gewählt. Als klar wurde, dass auch diese Lesung ohne Zuschauer würde stattfinden müssen, hatten Ina Coelen und Christina Beyerhaus die Idee, aus der Veranstaltung eine Online-Lesung via Zoom-Call zu machen.

Geht das überhaupt? Die Generalprobe eine Woche vorher sollte die Unsicherheit verstärken: Der Hall in der Kirche war deutlich zu groß, das Kamerabild fror regelmäßig ein, und dazwischen mischten sich die Geräusche der Test-Zuschauer. Zwei Tage vorher aber kam Entwarnung: „Wir machen das im Foyer, es klappt alles wunderbar“, erklärte Christina Beyerhaus. Meine innere Stimme glaubte das allerdings nicht, erinnerte mich den ganzen Tag über daran, was alles schiefgehen kann.

Lesungen sind für mich längst zur Routine geworden, aber an diesem Tag wurde ich von einem Lampenfieber befallen wie vor meinem ersten Auftritt. Das war zwar nach der Begrüßung verschwunden, ein seltsames Gefühl blieb dennoch. Statt Publikums sah ich vor mir nur in die kleine Linse einer Webcam. Was mag sich dahinter verbergen? Kommt die Darbietung an oder gähnen die ersten. Wie ist die Akustik? Lese ich zu laut oder zu leise? Der Blick ging immer wieder zu meiner Frau Bettina, die auf der anderen Seite des Laptops das Publikum im Auge hatte und mit Zeichen korrigierend eingreifen sollte.

Der gehobene Daumen sorgte für zunehmende Sicherheit. Alles lief bestens – bis zur Schlüsselszene. „Das Bild ist weg“, rief jemand. Hektik breitete sich aus. Nach wenigen Augenblicken hatte „Kameramann“ Justin Brandau die Lage im Griff und mein Puls normalisierte sich.

Kurz darauf wurde der Laptop umgedreht, und in 42 kleinen Fenstern erkannte ich lauter applaudierende Menschen. Fazit: Es war eine perfekt organisierte und tolle Veranstaltung. Sicherlich. Dennoch sehne ich mich nach einer Live-Lesung. Aber jammern gilt nicht in Zeiten, in denen Gastwirte, Frisöre oder Einzelhändler um ihre Existenz bangen. Kultur ist in diesem Vergleich ganz bestimmt nicht systemrelevant – oder?

Während ich die Lockdown-Phasen nutzen konnte, um meinen nächsten Roman zu schreiben, gibt es da draußen viele Kulturschaffende, die ihre Künste hauptberuflich darbieten. Die außerhalb pandemischer Zeiten für die Farbtupfer in unserem Alltag sorgen und die jetzt ebenso in ihrer Existenz gefährdet sind. Was mich betrifft, gilt die Hoffnung, meinen 14. Niederrheinkrimi mit dem Titel „Der war schon tot“ im Oktober vorstellen zu dürfen – live und in Farbe vor einem großen Premierenpublikum.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort