Konzertlesung in Alpen „Das Dorf, das wir Welt nennen“

Alpen · Beim Lese-Lieder-Abend in der Alpener Kirche berührten die Musiker Judy Bailey und Patrick Depuhl die Gäste mit Songs und Texten über Rassismus, Toleranz und ganz persönliche Lebenslinien in der Familie.

 Judy Bailey und Patrick Depuhl zogen das Publikum in der evangelischen Kirche mit berührenden Liedern und Texten in ihren Bann.

Judy Bailey und Patrick Depuhl zogen das Publikum in der evangelischen Kirche mit berührenden Liedern und Texten in ihren Bann.

Foto: Armin Fischer (arfi)

So gesehen sind Judy Bailey und ihr Mann Patrick Depuhl in Alpen bekannt wie die sprichwörtlichen „bunten Hunde“. Die Gemeinde Alpen ist für die Musiker, die die Welt bereisen, ihr Lebensmittelpunkt. Die evangelische Kirche war daher gut, wenn auch auf Abstand gefüllt, um ihre „Lieder aus voller Seele“ und „Texte mitten aus dem Leben“ zu hören. Immer wieder. „Man kann sich ihrer Musik und ihrer Ausstrahlung kaum entziehen“, sagte ein Konzertbesucher. Ganz offenkundig ein Fan. Der Musik- und Literaturkreis Alpen hatte im Rahmen seines 40-jährigen Bestehens für Sonntag zu der Konzert-Lesung eingeladen – zum Auftakt des Veranstaltungsjahres.

Das Ehepaar aus Menzelen, mittlerweile 25 Jahre verheiratet, nahm sein Publikum mit in die weite Welt, die bei genauer Betrachtung eben doch nur ein Dorf ist. Beide erzählten aus ihrem Leben, das eben nicht schwarz und weiß ist. „Ich frage mich oft, wer ist farbig? Judy mit ihrer dunklen Haut weniger. Ich sorge eher mit meiner weißen Haut für das Farbenspiel“, sagt Patrick.

Judy, geboren in London und aufgewachsen auf Barbados, sprach über ihre Wurzeln, die schwer auszumachen seien. „Auf Barbados haben wir keine genauen Kenntnisse darüber“, erzählte sie. Denn über Generationen hinweg seien 400.000 Sklaven nach Barbados gekommen, um die Insel urbar zu machen. Erst 1966 wurde die britische Kolonie unabhängig. „Was Europa mit uns gemacht hat, hat uns arm gemacht. Aber unsere DNA hat Afrika nie vergessen. Wir sind keine Engländer. Das sagen mir mein Bauch, meine Musik und mein Temperament“, so Judy Bailey.

 Das Publikum ließ sich berühren und ging mit. So war es für alle ein bewegendes Ereignis zum Auftakt des Konzert- und Literaturjahres.

Das Publikum ließ sich berühren und ging mit. So war es für alle ein bewegendes Ereignis zum Auftakt des Konzert- und Literaturjahres.

Foto: Armin Fischer (arfi)

Persönliche Erlebnisse standen im Mittelpunkt der Texte, die ihr Mann Patrick las und deren Inhalte Judy mit in ihre Lieder nahm. Positionen zu Rassismus, Sklavenhandel und weltweite Ungerechtigkeit sorgten für Nachdenklichkeit und manchmal auch für Schwere. Dennoch. „Wir wollen das Leben feiern“, betonte Judy. Patrick Depuhl, der mit eindringlicher Stimme seinen Texten Lebendigkeit verlieh, wies auf die Chancen dieser Welt hin: „Miteinander und füreinander in dem Dorf, das wir Welt nennen.“

Die Gegensatzpaare schwarz-weiß, böse-gut schienen im deutschen Sprachgebrauch unverrückbar zu sein, so das Paar. Schwarzfahren, Schwarzgeld etwa bestimmten das Dunkle. Weiß stehe eher für Unendlichkeit und Reinheit. „Die deutsche Sprache kann viel“, stellte Patrick fest. Sie stehe auch für Ordentlichkeit und Genauigkeit mit Begriffen wie Doppelhaushälfte oder Kreislaufzusammenbruch. „Aber in unseren Herzen sind wir viel bunter, als wir denken“, ergänzte er.

Einblicke in ihr Leben und in das ihrer Familien hallten nach, wenn Patrick die dunkle deutsche Geschichte ansprach, die Geschichte hinter den Geschichten erzählte. Sein Vater Michael sei ein sogenanntes Lebensborn-Kind. Diese Vergangenheit sei in der Familie kaum zur Sprache gekommen. Erst nach dessen Tod 2011 fügten sich die Mosaiksteine zusammen. Judys Lied „Liebe hat das letzte Wort“ klang nach. Liebe zeige sich stark, erhebe sich über das Gute wie das Böse, so die Botschaft. „Jeder Mensch ist einmalig anders, und doch sind wir uns erstaunlich ähnlich. Wir lieben, hoffen und sterben. In der Zwischenzeit versuchen wir, ein Leben zu füllen.“

Wie das Paar sein Leben füllt, zeigen es beispielsweise seit Jahren mit seinem Engagement für Flüchtlinge, die nach Alpen kommen. Das ausgezeichnete Musikprojekt Home.Alpen steht für gelebte Toleranz und ein besseres Verständnis füreinander. Das Projekt wird mit einem Familienfest im Sommer fortgesetzt.

(sabi)
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