Gesunde Lebensführung in Alpen Hausputz für Körper und Seele

Alpen · Heilfasten setzt Energie frei. Herbert Oymann und Mediziner Norbert Koch haben auf der Bönninghardt wieder eine Gruppe beim Fasten begleitet.

Prosit mit Bergkräuter-Tee: Der Medziner Norbert Koch (2.v.r) und Herbert Oymann (4.v.r.) betreuen seit Jahren Heilfaster auf der Bönninghardt.

Prosit mit Bergkräuter-Tee: Der Medziner Norbert Koch (2.v.r) und Herbert Oymann (4.v.r.) betreuen seit Jahren Heilfaster auf der Bönninghardt.

Foto: erko

Satte 64 Kilogramm abgenommen – und das in nur sieben Tagen. So lautet zumindest die Bilanz der elfköpfigen Heilfastengruppe von Herbert Oymann. Knappe sechs Kilogramm Gewichtsverlust pro Person sind aber nur ein Randaspekt, der Hintergrund ist ein ganz anderer. „Es geht darum, Körper und Seele zu reinigen. Gerade in der Pandemie und im Homeoffice haben viele Menschen sehr opulent gelebt“, sagt Oymann und warnt davor, den einwöchigen Verzicht auf Nahrungsaufnahme auf die leichte Schulter zu nehmen: „Wenn jemand zu mir kommt und sagt, er möchte das Heilfasten mal probieren, rate ich ab. Man muss das wirklich wollen und seinem Umfeld unmissverständlich klarmachen: Das ist meine Woche!“ Seit 36 Jahren betreut Oymann die Heilfastengruppen auf der Bönninghardt, macht selber mit und hat ein Näschen dafür, wer es ernst meint und wer nicht.

Für Petra van Soest, die mit ihrem Ehemann Berthold teilnimmt, war die Motivation von Beginn an eindeutig: „Wir wollten unsere Körper entlasten, einfach mal runterfahren und uns wohlfühlen. Dass wir dabei auch abnehmen, ist ein angenehmer Nebeneffekt.“

Schwieriger ist es da schon für Einzelkämpferinnen wie Gabi van Treek. Während sie heilfastet, dreht sich die Welt für ihren Ehemann und ihre vier Kinder ganz normal weiter. „In den ersten drei Tagen habe ich gesagt: Ihr müsst jetzt mal selber für euch sorgen. Inzwischen koche ich und schmiere die Butterbrote, ohne dass es mir was ausmacht.“

Heilfasten ist Therapie und auch eine Frage der inneren Einstellung. Es sorgt dafür, dass die Teilnehmer sich hinterfragen und damit auch für Nachhaltigkeit. „Ich esse unheimlich gerne Süßigkeiten. Nach der Heilfastenwoche verzichte ich darauf, und das fällt mir gar nicht mal schwer. Das hält dann meistens bis Weihnachten an, immerhin“, erzählt Gerd Cleve.

Das gemeinsame Ziel schweißt zusammen. Unterstützt wird die Zusammengehörigkeit durch Spaziergänge und abendliche Treffen. „Es entsteht ein Gruppengefühl. Wir sind uns am Anfang alle fremd und doch reden wir über Krankheiten und Probleme oder lachen gemeinsam. Manchmal treffen wir uns Wochen später zu einem Restaurantbesuch“, erzählt Oymann.

Fachlich begleitet werden die Heilfaster von Norbert Koch. Der Alpener Allgemeinmediziner kennt die Tücken der „Nulldiät“ und weiß zum Beispiel, warum Neulinge Kopfschmerzen bekommen: „Normalerweise reichen erwachsenen Menschen ein bis eineinhalb Liter Flüssigkeit am Tag. Wer heilfastet, braucht drei bis vier Liter. Wenn man die trinkt, verschwinden auch die Kopfschmerzen.“ Dass die Teilnehmer sich während der Fastenwoche ausgesprochen fit fühlen, liegt für Koch auf der Hand: „Der menschliche Körper braucht für die Verdauung rund 70 Prozent seiner Energie. Beim Heilfasten fällt das weg. Entsprechend mehr Energie steht zur Verfügung.“

Am letzten Abend gibt es einen Bergkräuter- und Pfefferminztee für alle. Am nächsten Tag wird das „Fasten gebrochen“ – und zwar mit Bedacht. Ein Milchbrötchen mit ein wenig Honig oder ein Apfel, mehr geht zum Wiedereinstieg nicht. „Wer direkt einen Schweinebraten isst, landet auf der Intensivstation. Dem Körper fehlen nach dem Heilfasten sämtliche Enzyme. Alle Organe schlafen noch. Die kann man nicht einfach so anknipsen“, warnt Norbert Koch vor ungezügeltem Stillen des Heißhungers.

Aber die Teilnehmer denken gar nicht daran. Für sie ist das „Fastenbrechen“ eine Zeremonie, die sie ganz bewusst erleben möchten. Herbert Oymann bringt die Philosophie des Heilfastens auf den Punkt: „Es handelt sich um einen Hausputz für den ganzen Körper.“

(erko)
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