Rheinberg Hilfswelle gegen drohende Abschiebung

Rheinberg · Der aus dem Iran stammende Journalist Sirus A. und seine aserbaidschanische Familie leben als Flüchtlinge in Rheinberg. Bald sollen sie nach Litauen geflogen werden. Dem Vater droht dort Haft, er fürchtet sogar um sein Leben.

 Peter Mokros (li.), Jürgen Potzies (3.v.l.) und Ulla Hausmann-Radau (re.) wollen dem Ehepaar A. und den Söhnen Emil und Ugur helfen.

Peter Mokros (li.), Jürgen Potzies (3.v.l.) und Ulla Hausmann-Radau (re.) wollen dem Ehepaar A. und den Söhnen Emil und Ugur helfen.

Foto: Armin Fischer

Eine in Rheinberg lebende Flüchtlingsfamilie aus Aserbaidschan soll abgeschoben werden. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) liegt mit Rechtskraft vom 11. Januar vor. Am Dienstag, 28. März, morgens um 4.45 Uhr - so die düstere Aussicht - wird die Familie in ihrer Wohnung an der Fossastraße abgeholt.

Soweit die Fakten. Wer sich die Geschichte näher anschaut, wird allerdings feststellen: Diese Ausweisung kann für die Familie katastrophale Folgen haben. Insbesondere für den 50-jährigen Vater Sirus A. Er stammt ursprünglich aus dem Iran und hat sich in seiner Heimat schon früh als kritischer Journalist für Menschenrechte und Demokratie engagiert. Deswegen wurde er vom iranischen Geheimdienst beobachtet und verfolgt, mehrmals inhaftiert und gefoltert. 1993 ging er nach Aserbaidschan, arbeitete aber weiter gegen das Mullah-Regime im Iran. Zunächst schrieb er für die Zeitung "Turkistan", später war er Chefredakteur des Polit-Magazins "Kimlik" ("Identität").

Das blieb nicht ohne Folgen: "Ich wurde mit dem Tod bedroht und im August 2014 wurde ein Attentat auf mich verübt. Ich bin auf offener Straße niedergestochen worden", so Sirus A. Unter den Folgen leidet er bis heute. Im Januar 2015 ist der heute 50-Jährige mit seiner Frau Arzu J. (37) und den beiden Söhnen Emil (17) und Ugur (7) geflohen: mit einem Visum nach Litauen, von dort weiter über Riga nach Schweden, Norwegen und schließlich nach Deutschland. In Bielefeld stellte die Familie einen Asylantrag und kam im Juni 2015 nach Rheinberg.

Der Druck aber hörte nicht auf. Sirus A. erlitt einen schweren Herzinfarkt. Er ist auf Medikamenten angewiesen. "Mein Herz ist wie ein Haus, das durch ein Erdbeben Risse bekommen hat", sagt der Journalist. "Ich weiß nicht, wie lange ich noch lebe, wie lange ich das alles noch aushalte. Ich möchte, dass es zumindest meiner Familie gut geht."

An Schlaf sei nachts nicht mehr zu denken, sagt Arzu J. - "weil wir große Angst haben". Während er das sagt, laufen seiner Frau die Tränen über die Wangen. Auch den Söhnen fällt es schwer, die Fassung zu bewahren. Emil spricht gut deutsch, will im Sommer seinen Realschulabschluss in Moers ablegen. Ugur besucht die erste Klasse und kommt ebenfalls gut zurecht.

"Die Familie ist bestens integriert", sagt Jürgen Potzies, der zum Unterstützerkreis der Familie gehört. Zusammen mit anderen möchte er die Abschiebung verhindern. Ausreisen soll die Familie Ende März gemäß Dublin-III-Abkommen nach Litauen. "Weil die Familie dort den ersten Kontakt mit der EU hatte", erklärt Unterstützer Peter Mokros. Was allen Beteiligten Sorgen bereitet, sind die guten Beziehungen zwischen Litauen und Aserbaidschan. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass Sirus inhaftiert oder nach Aserbaidschan ausgeliefert wird." Dann, da sind sich die Rheinberger sicher, wäre sein Leben ernsthaft in Gefahr.

Die Abschiebung hätte vielleicht sogar verhindert werden können, wenn eine von der Familie beauftragte Rechtsanwältin nicht versäumt hätte, einen Eilantrag zu stellen. Jürgen Potzies: "Das hat sie aber leider nicht getan." Inzwischen hat eine Rheinberger Ärztin den Familienvater untersucht und ihm attestiert, dass er nicht reisefähig sei.

Die Rheinberger erwägen nun mit Unterstützung von Landtagsabgeordneten, eine Petition zu initiieren. Und ein Anwalt hat sich auch eingeschaltet. Auch wenn die Chancen, die Abschiebung noch zu verhindern, gering sind: "Wir wollen alles versuchen", sagt Jürgen Potzies.

(up)
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