Kabarett mit H.G. Butzko Schonungslos bis zum Ermüden
Vierbaum · Mit seinem Programm „Echt jetzt“ rechnete Kabarettist H.G. Butzko im Schwarzen Adler mit der Mediengesellschaft ab.
Ich oute mich jetzt einfach: Als eine derjenigen, die tatsächlich zwei Mal auf ihr Handy geschaut haben, als H.G. Butzko im Schwarzen Adler am Sonntagabend auf der Bühne Frontalunterricht gab. Und ich gebe zu, dass ich dem Kabarettisten über weite Strecken durchaus zugetan war, ihm aber an manchen Stellen nicht mehr folgen konnte. Oder wollte. Oder beides.
„An diejenigen, die es gut fanden: Mein Name ist H.G. Butzko. An diejenigen, die es nicht gut fanden: Meine Name ist Christian Lindner“. So verabschiedete sich der Mann aus Gelsenkirchen nach knapp zwei Stunden „Echt jetzt“-Programm vom Publikum. Und während ich das gerade schreibe, überlege ich, zu welcher Spezies ich jetzt gehöre. Eigentlich weder ganz zu der einen noch zu der anderen. Mehr eine Kombination aus beiden. Muss ich also den 54-Jährigen, der sich auf seiner Homepage in seiner Biografie als den lebenden Beweis bezeichnet, „dass man in Gelsenkirchen aufwachsen und noch mit anderen Themen unterhalten kann als Fußball“, künftig, wenn ich ihn mal treffen sollte, als Christian Butzko anreden? Oder als H.G. Lindner? Na, sei’s drum. Das entscheide ich, wenn es mal dazu kommt.
Digital first, Bedenken second: Die Adler-Besucher, die sich altersmäßig so zwischen 45 und 65 Jahren bewegten und glaubten, sie wüssten schon ganz viel, wurden eines Besseren belehrt. Butzko machte Gehirnjogging mit ihnen, versorgte sie mit jeder Menge Stoff – Resultat gründlicher Recherchearbeit. Und Butzko sei Dank wissen die Gäste spätestens seit Sonntagabend unter anderem, dass Tony Fadell ein US-amerikanischer Computerspezialist ist, der als der Erfinder des Konzepts des Musikabspielers iPod mit dem dazugehörigen Onlinemusikgeschäft iTunes gilt.
1997 ist Butzko mit seiner „Butzkolonne“ auf den Zug der Kabarettisten aufgesprungen und inzwischen zum Hirnschrittmacher des deutschen Kabaretts aufgestiegen. Zwischen Volker Pispers und Atze Schröder hat ihn mal ein Medium eingeordnet – was ihn wohltuend von Erstgenanntem unterscheidet, ist, dass er nicht auf den abgewrackten Gag vom Telefon mit Wählscheibe zurückgreift, um den Unterschied deutlich zu machen zwischen der Generation der Best Ager und der Smombies, Fachbegriff für einen Zombie, der dauernd auf sein Smartphone glotzt. Obwohl: Auch Butzkos Vergleich vom Fax und whatsapp ohne Papier kommt etwas abgehangen daher.
„Und es naht der Tag, da fragen Kinder ihre Eltern: Mama, Papa, was heißt eigentlich menschlich?“, so Butzko. Die Antwort werde dann wohl „Da musst du Alexa fragen“ lauten, spottete er weiter und fragte laut: Wer zum Teufel eigentlich der pubertierende Idiot gewesen sei, der eine Frau erfand, die auf Kommando tut, was der Smartphone-Nutzer ihr sagt. Butzko spricht dem Publikum aus der Seele, wenn er sich in seiner Lehrstunde über beziehungsgestörte Soziopaten aufregt, die auf dem digitalen Markt unterwegs sind, irgendwelche Apps entwickeln und den ganzen Tag damit beschäftigt sind, zu erforschen, was süchtig macht. Und weder die Familienministerin noch die Drogenbeauftragte griffen ein, so Butzko. Sein Credo: „Herr vergib‘ ihnen nicht. Denn sie wissen, was sie tun“.