Alpen Heute kommt Wendler - und was dann?

Alpen · Das Schützenwesen verändert sich. Am Beispiel der St.-Heinrich-Schützenbruderschaft Bönning-Rill wird deutlich, dass es immer schwieriger wird, Menschen für Veranstaltungen zu gewinnen und attraktive Angebote zu machen.

Alpen: Heute kommt Wendler - und was dann?
Foto: Ostermann, Olaf (oo)

Heute ist Wendler-Zeit. In Bönning-Rill steigt der selbst ernannte "König des Popschlagers", Michael Wendler aus Dinslaken, am späten Abend auf die Bühne und singt seine Hits, allen voran "Sie liebt den DJ". Veranstalter dieser Schlagerparty sind die Bönning-Riller St.-Heinrich-Schützen, die froh sind, dass Deutschland nicht das WM-Spiel um Platz drei bestreiten muss, sondern im Finale steht. Denn als Veranstalter müssen die Schützen mit allen Unwägbarkeiten rechnen. So kommt es auf jede verkaufte Eintrittskarte an. Profis wie "der Wendler" kosten eine gute Stange Geld.

Das finanzielle Risiko, die ganzen Vorbereitungen, die Werbung: Warum tun die Heinrich-Schützen sich überhaupt einen solchen Stress an? Warum beschränken sie sich nicht auf das morgige Preis- und Königsschießen und das Schützenfest?

"So war das ja früher", sinniert Johannes Heilen. "Aber die Zeiten haben sich geändert. Schützenbruderschaft und Schützenfest, das ist heute mehr als in grüner Uniform anzutreten, auf den Vogel zu schießen und bei Marschmusik zu feiern, bis der Arzt kommt. Das reicht schon lange nicht mehr." Heilen, 54 Jahre alt, seit 1975 Mitglied der Bruderschaft und seit vielen Jahren als Schriftführer Vorstandsmitglied, macht sich viele Gedanken über die Zukunft. Er sagt: "Schützenbruderschaften haben auch eine andere wichtige Funktion. Es geht um das soziale Miteinander."

Seit vielen Jahren schon sitzen einige der Bönning-Riller Schützen Woche für Woche, Mittwoch für Mittwoch abends im Schützenhaus am Römerweg zusammen und beraten. Das sei wie ein Dorfstammtisch im besten Sinne, beschreibt Johannes Heilen diese Treffen. Häufiges Thema dabei: Was können wir tun, um die Schützenbruderschaft attraktiver zu machen? Von den 288 Mitgliedern der 1947 gegründeten Bruderschaft sind die meisten zwischen 30 und 60 Jahre alt. Nur rund 20 Schützen unter 30, davon engagieren sich zehn als Fahnenoffiziere. "Viel weniger als früher", beklagt Johannes Heilen.

Er selbst gehört einem Kreis inzwischen mittelalter Schützen an, die vor rund 15, 20 Jahren nach und nach das Ruder im Verein übernahmen. Mit ihnen änderten sich die Gepflogenheiten. So entstand bereits 1996 der Hein-Blöd-Titel. In Anlehnung an den Namenspatron Heinrich schlugen die Schützen eine Brücke zu Käpt'n Blaubärs Rattenkumpel Hein Blöd. Zudem hieß auch der Vogelbauer Heinrich. Aus einem Jux-Spaßschießen entwickelte sich sechs Jahre später die Hein-Blöd-Party, die es bis heute gibt.

2011 kam der Schlagersänger Jörg Bausch als erster Stargast nach "Bö-Ri", im Jahr darauf sorgte Willi Girmes für Stimmung, jetzt ist Michael Wendler an der Reihe. Aber auch diese Abende haben den Reiz des Neuen inzwischen verloren, weil auch viele andere Vereinigungen auf dieses Pferd gesetzt haben. "Gute Schlagersänger zu finden, die bezahlbar sind und uns das Zelt füllen, wird immer schwieriger", versichert Johannes Heilen. "Und wenn eine Party vorbei ist, fragt man sich gleich: Was machen wir als nächstes und die Jagd beginnt von vorne."

Dabei müssen die Schützen immer die finanzielle Seite im Auge haben. Flops können sie sich nicht mehr erlauben. Läuft das Schützenfest schlecht, murrt der Festwirt, der auch auf seinen Schnitt kommen muss. So kommt es vor, dass sich Vereine von lieb gewonnenen Traditionen verabschieden. St. Heinrich etwa hat die Bönning-Riller Büttensitzung bereits 2007 durch die Hein-Blöd-Karnevalsparty ersetzt, und auch die wird wohl 2015 nicht mehr stattfinden, wenn sich kein jüngeres Vorbereitungsteam findet.

Johannes Heilen und seine fleißigen aktiven Freunde tun viel dafür, dass es die Schützenfeste auch weiterhin gibt. Aber es wird auch immer schwieriger, Aspiranten zu finden. "Und ein Schützenfest ohne König, das geht auf Dauer nicht." Manchmal beschleiche ihn das Gefühl, die Besucherzahlen bei den Veranstaltungen seien "zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel". Aber spätestens dann siegt der Optimismus über den Pessimismus: "So schnell lassen wir uns nicht unterkriegen", betont Heilen. Was den heutigen Abend mit Michael Wendler angeht, heißt das: "Vorstand und Bruderschaft freuen sich über jeden Besucher, der zu den Veranstaltungen kommt und 500 im Vorverkauf abgesetzte Karten für die Wendler-Party lassen auf ein volles Zelt hoffen".

(RP)
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