Heimatgeschichte Alpen Vom Aufblühen der Vereine

Alpen · Der Heimatforscher Karl Bröcheler widmet sich in seinem Gastbeitrag der Geschichte des „Heideblümchens“. Der Gesangsverein bestand zwar nur für kurze Zeit, gehörte aber zu den Pionieren auf der Hei.

 Karl Bröcheler ist Heimatforscher in Alpen.

Karl Bröcheler ist Heimatforscher in Alpen.

Foto: HVV

Die meisten Gesangsvereine in Alpen haben eine ebenso bewegte wie lange Geschichte. Der Männergesangsverein Martonair zum Beispiel besteht schon seit fast 60 Jahren, der Musikverein Menzelen hat den 60. Geburtstag bereits überschritten. Der Kirchenchor St. Ulrich kann sogar auf mehr als 130 Jahre zurückblicken. Und selbst der noch junge Gospelchor Confidence singt inzwischen seit mehr als 30 Jahren seine berührenden Lieder. Fast wie ein Aufblitzen erscheint da die gerade mal 27 Jahre währende Geschichte eines weiteren Vereins. Heute fast vergessen ist das „Heideblümchen“. Dabei gehörte der im 19. Jahrhundert aufblühende Gesangsverein zu den Pionieren auf der Bönninghardt. Grund genug für Heimatforscher Karl Bröcheler, sich mit der Historie mal genauer zu beschäftigen.

Am 20. Juni 1897 wurde ein Verein gegründet, der sich den schönen Namen „Heideblümchen“ gab. Passend zu dem, was es hier auf der Höhe reichlich gab, was dem Ort den Spitznamen „Hei“ bescherte, was auch vielen ein wenig Arbeit und Einkommen gab: die einst nahezu flächendeckende Heide auf dem Höhenzug der Bönninghardt. Dieser Verein wurde nicht uneingeschränkt begrüßt. Es hieß, er sei wohl weniger auf die Pflege des Gesangs, als auf Vergnügungssucht, Tanzmusik, Theater, Stiftungsfeste und dergleichen aus. Überhaupt stand die Geistlichkeit Vereinsgründungen, die ausschließlich der „Lustbarkeit“ dienten, kritisch gegenüber. Nur, wer kann es den Menschen verdenken, wenn sie nach hundert Jahren Trübsal und Not auch ein wenig Abwechslung und Unterhaltung suchten.

 Rektor Johann Brauers, Pfarrer der Katholischen Gemeinde, war ein erklärter Gegner des Gesangsvereins.

Rektor Johann Brauers, Pfarrer der Katholischen Gemeinde, war ein erklärter Gegner des Gesangsvereins.

Foto: Bröcheler

Auch Rektor Johann Brauers, in der Katholischen Gemeinde zwölf Jahre (1885 bis 1897) als Pfarrer und Lehrer tätig, machte sich 1896 Gedanken zu den hiesigen Vereinsgründungen. Er schreibt dazu in seinen Aufzeichnungen: „Um dieselbe Zeit hat die Vereinsmeierei auch unsere Bönninghardt ergriffen. Angeblich auf Betreiben des damaligen Bürgermeisters Commehsmann wurden der ,Kriegerverein’ und der Gesangverein ,Heideblümchen’ gegründet. Meines Erachtens ist unsere Bönninghardt für solche fast ausschließlich der Geselligkeit gewidmeten Vereinigungen noch nicht reif. Erfreulicher Weise taten sich neben jenen beiden auch zwei nutzbringende Vereine auf: der Bauernverein und der Spar-und Darlehnskassenverein. Ihre Bedeutung wird von den Leuten noch viel zu wenig gewürdigt!“ (Der Bauernverein ist die spätere Bezugs- und Absatzgenossenschaft).

 Nach dem Rücktritt des Chorleiters Rimbach wurde der katholische Lehrer Weber (Bild) Dirigent.

Nach dem Rücktritt des Chorleiters Rimbach wurde der katholische Lehrer Weber (Bild) Dirigent.

Foto: Bröcheler

Doch auch der Rektor Brauers konnte die Gründung des von ihm so wenig geliebten Vereins „Heideblümchen“ nicht verhindern. Das Vereinslokal, so wurde beschlossen, sollte bei dem Wirt de Fries sein (Bönninghardter Straße Nr. 47). Und nachtragend waren die Sänger ebenfalls nicht: Sie entschieden, Rektor Brauers zu seinem Abschied einige Lieder darzubringen. Man trat gemeinsam mit dem Kriegerverein zum Sedanfest auf, wirkte bei Tanzveranstaltungen mit und erhob dabei ein Tanzgeld. Jeder Tänzer hatte zehn Reichspfennig pro Tanz zu entrichten.

Doch es gab auch Querelen; der Dirigent Rimbach trat zurück, neuer Dirigent wurde der katholische Lehrer Weber. Der Schriftführer bemerkte damals dazu: „Ja ,Heideblümchen’, noch sollst du nicht verblüht sein, noch ist die Zeit nicht da, wo du am Grabe stehst und klagst, denn du hast einen neuen Dirigenten, deinem Verein eine neue Mutter gegeben. Nun lebe von neuem auf, auf dass du wieder glänzen kannst, auf der Heide und weit umher und aus deinem Blümchen eine Blume groß und schön werde.“

1906 gab es abermals einen neuen Dirigenten, ein Herr Heesen aus Rheinberg. Das Vereinslokal wechselte zum Wirt W. Henrichs. (Bönninghardter Straße Nr. 139). 1922 feierte man das 25-jährige Stiftungsfest.

Dann kam die Weltwirtschaftskrise: 1923 stellte der Verein fest, dass er aufgrund der Kassenlage nicht mehr in der Lage sei, den Dirigenten zu bezahlen. So wurde der Beschluss gefasst, die Geschäfte des Vereins ruhen zu lassen. Der Kassenabschluss von 1923 gibt an: Einnahmen: 12.000.000 Mark, Ausgaben 12.000.000 Mark. Die letzte Aufzeichnung von 1924 besagt, nach der Währungsreform wurden die monatlichen Beiträge auf 20 Pfennig festgelegt. Für die Zeit danach fanden sich keine weiteren Lebenszeichen des Vereins. So war das „Heideblümchen“ dann doch noch verblüht.

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