Rheinberg Guru Guru oder: Der Krautrock lebt

Rheinberg · Kann man über ein Konzert von Guru Guru schreiben, ohne in die Vergangenheit abzutauchen? Wohl kaum. Man muss, zumindest wenn man am Niederrhein zu Hause ist, beispielsweise das "Scala" in Moers erwähnen. Dieses ehemalige Kino an der Kirchenallee war Anfang bis Mitte der siebziger Jahre für den Krautrock und die Siebziger hier in der Region so etwas ähnliches wie der Hamburger Star-Club für die Sixties und den Beat.

Da haben sie alle gespielt, die wilden Langhaarigen der ersten richtigen deutschen Rock-Bewegung: Birth Control, Eloy, King Pin Meh, Nektar, Franz K., Jane, auch die Scorpions und natürlich Guru Guru. Blöd nur, wenn man damals noch zu jung war und nur die ältere Schwester diesen Krautrock-Urbrei in Cannabis-verhangenen Rauchschwaden miterlebte und damit angeben konnte, dabei gewesen zu sein, man selbst aber nicht. Dann muss man eben mehr als 40 Jahre warten, bis Guru Guru in den Vierbaumer Schwarzen Adler kommen.

Das war jetzt zum ersten Mal der Fall. Musiker und Publikum, beide sind in Ehren ergraut. Halbglatze statt Matte. Statt Joints gehen Weißwein und ein gepflegtes Pils über die Theke. Ein Fan kommt mit Rollator. Aber sonst ist irgendwie alles so wie früher. Mani Neumeier, der fast 76-jährige Ober-Guru, das einzige verbliebene Ur-Mitglied der 1968 gegründeten Band, trommelt noch immer teutonisch verquer. Nicht immer auf dem kompletten Schlagzeug, mitunter auch vorne am Bühnenrand im Stehen auf einer Standtom. Manchmal mit komischen Masken und anderem Zeugs behangen. Das ist unterhaltsam, aber Grooven geht anders.

Auch Roland Schaeffer ist ein Krautrocker durch und durch. Er stieg Mitte der Siebziger bei der Band aus der Finkenbacher Odenwal-Kiffer-Kommune ein, blieb sieben Jahre und kehrte vor 20 Jahren zurück. Er ist der Leadgitarrist, spielt Saxophon, bläst zuweilen aber auch das indische Nadaswaram und verleiht dem Guru-Guru-Sound damit einen Anstrich von Weltmusik. Ähnlich wie Schaeffers Beziehung zu Guru Guru ist die von Bassist Peter Kühmstedt, den man von Stoppok kennt. Erst in diesem Jahr kam Gitarrist Jan Lindqvist zur Band.

So schlagen die vier Musiker Haken durch die verschiedensten Stilrichtungen und erheben den Adler zum Nostalgie-Club. Blues, Rock, Reggae, Jazzrock, eine skurrile Portion Indianer-Geheule oder Funky-Riffs wie in "Tribes and Vibes" - alles steckt im Guru-Sound. Es wird wild improvisiert, bis sich auch das letzte Riff wie ein Mantra in die Hirnwindungen geschraubt hat.

Dazu gibt es Text-Fragmente, die Anlass zu der Frage geben: Was haben diese sympathischen älteren Herren früher eigentlich geraucht? "I'm the forrest-man. Living in the woods", heißt es da. Oder "Space Baby, my name is Space Baby". Der "Elektro-Lurch", eine Art Anti-Hit früher Tage, darf natürlich nicht fehlen. Mit Tröten und allem was dazu gehört.

Guru Guru 2016, das ist die vielleicht authentischste Krautrock-Erinnerung, die man noch kriegen kann. Etwas angestaubt, kräftig aus der Zeit gefallen, aber eben ein Dokument teutonischen Roots-Rocks. Und vor allem: endlich mal live dabei gewesen. Im rappellvollen Adler. Mehr als 40 Jahren nach der Scala-Zeit. Von daher: astrein!

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