Rheinberg Glücklicher Prinz in Berkas Narrenmeer

Rheinberg · Sehr kalt, aber auch sehr, sehr schön: Gut 20 000 Menschen besuchten den Rosenmontagszug in Rheinberg. Top-Thema bei den vielen originellen Motiv-Wagen war die Sanierung der Stadt in all' ihren Schattierungen.

Das war der Rosenmontagszug in Rheinberg 2013
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Das war der Rosenmontagszug in Rheinberg 2013

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Merkwürdig, dass sich die Band aus Leibeskräften ausgerechnet einen Tirolerhut herbeispielen wollte — eine Fellmütze wäre doch viel besser gewesen. Denn kalt war's gestern im Karneval — aber "voll cool". Gute Laune pur in der Altstadt. Schon bevor nach 14.11 Uhr die Zuglok aus der Fossastraße in Richtung Ortskern bog. Die Bahnhofstraße — ein Narrenmeer. Wo sonst hätte das Motto der Session greifbar werden können: "Wir sind Berka und gemeinsam stärker."

Beim Feiern, und beim Erzählen des Wichtigsten aus den vergangenen Monaten. Natürlich närrisch aufbereitet. Jede Menge Motivwagen — einer schöner als der andere. Top-Thema: die Stadtsanierung in all' ihren Schattierungen. Eine "never ending story". Passgenau chauffierten die Jecken eine Geld fressende "Sanierungsschnecke" durch die Stadt, über der ein Pleitegeier Flugstunden nahm... Und zwischen den Wagen wurde ein jecker Einzelkämpfer noch deutlicher: "Mehr helfende Hände hätten gemacht ein schnelles Ende."

Zu Fuß war auch die Pumpennachbarschaft Rio Tinto unterwegs: "Entenbrot macht Ratten groß", schilderten die Fossa-Anlieger ihre Erfahrung — und berichteten spitzzüngig von "rattenscharfen Zuständen" als Ergebnis fehlgeleiteter Tierliebe.

Klaren Kurs steuerten die Berkas, ihr Blick ging nach oben. Ans Dach des Kamper Hof, dem Hausherr Gerardus Aaldering im Sommer eine neue Wetterfahne spendiert hatte. Dass die die Himmelsrichtungen nicht trifft — was soll's: "Ob Wind in Berka oder kein — die Wetterfahne ist ja nur zum Schein", machten sich die Jecken ihren Reim darauf.

Die neuen Steine auf Berkas Plätzen, der Geßmann-Kreisverkehr ("Kreis hin, Kreis her, Kreisstadt werden wir nimmer mehr"), die Guerilla-Gärtner zur Verschönerung des Stadtparks (Nachbarschaft Mühlenhof) — all das hatte die Wagenbauer ebenso inspiriert. Aber auch das Geschehen in den Ortsteilen blieb nicht unerwähnt: Schönes — Ossenbergs Aufstieg zum Golddorf beispielsweise im Landeswettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" — ebenso wie Beklagenswertes — das Kneipensterben in Orsoy, das nach Jecken-Ansicht vielleicht nur noch mit Sponsorenhilfe gestoppt werden kann. Ehrensache: Die Karnevalisten an den Straßenrändern drücken den Orsoyern die Daumen. All die kleinen und die großen Kostümierten. Die sich im Neoprenanzug gut isoliert in die Kälte wagten oder ihre wahre Schönheit in verwegenen Fellkostümen verbargen. die als Giraffen ganz lange Hälse machten — damit allerdings nicht einmal erfolgreicher waren beim Einfangen von Brocken, Bällen, Sträußchen — Malbüchern, Parkscheiben und allem, was sonst von den Wagen geworfen wurde. Bisweilen so gekonnt, dass die Kamelle quasi im Vorübergehen punktgenau im Publikum landeten.

Und dann: Zugeinheit 39. Zu Fuß unterwegs: "Die Goldscheren des Prinzen". Gleich dahinter: die prachtvolle Burg des Stadtkommandanten. Das Narrenschiff, die "Berka 4". Und mit einem blumengeschmückten Highlight der Wagenbauerkunst: der Prinz. Stefan I., "der Gestaltende" — der auch gut "der Schaufelnde" hätte heißen können: Mit vollen Händen verteilte er die Bonbons an sein Volk. Kaum war ein Karton leer, gab's Nachschub im fliegenden Wechsel auf dem Wagen, der dem Beruf der Tollität gewidmet war. Dem Friseurhandwerk. Und selbst hier hatten Rheinbergs Jecken noch ihren Senf dazuzugeben: Gleich dahinter zuckelten die Freunde des Prinzen mit ihrem "Salon Schickmann" durch die Stadt. Mit ganz besonderen Angeboten: Damenbartentfernung, Prinzenrolle und Kaiser-Schnitt.

(RP/ac)
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