Kirche in Alpen Presbyterium verteidigt Eigenständigkeit

Alpen · Die kleine Evangelische Kirchengemeinde Alpen legt sich mit dem großen Kirchenkreis Moers an. Sie wehrt sich gegen den wachsenden Einfluss der Zentrale und kämpft damit um den Erhalt ihrer Selbstbestimmung.

 Streiter für den Erhalt der Selbstbestimmung der Kirchengemeinde (v.l.): Dietmar Paul, Jürgen Fischer, Ludger Schreiber und Hans-Henning Schultes.

Streiter für den Erhalt der Selbstbestimmung der Kirchengemeinde (v.l.): Dietmar Paul, Jürgen Fischer, Ludger Schreiber und Hans-Henning Schultes.

Foto: Armin Fischer (arfi)

Alle Macht geht von der Gemeinde aus. So jedenfalls sieht es das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde in Alpen. Das fürchtet sich nicht, sich mit seinem Kirchenkreis kritisch auseinanderzusetzen. Doch bislang ohne erkennbaren Erfolg. Das „kleine gallische Kirchendorf“ im großen Kirchenkreis Moers will aber nicht locker lassen und sich schon gar nicht geschlagen geben, auch wenn es weitgehend allein dafür streitet, den wachsenden Einfluss der Zentrale zurückzudrängen. Das haben Vertreter des Presbyteriums erläutert (Das Gespräch mit der Redaktion hat bereits Mitte März stattgefunden).

Für die Basis hat der Konflikt mit dem Kirchenkreis einen schwer aussprechbaren, aber für sich genommen unverfänglichen Namen: Verwaltungsstrukturreform. Vor den Folgen der Verlagerung von Verwaltungskompetenz weg von der Gemeinde hin zur Zentrale habe man im Vorfeld lange gewarnt, sagt Ludger Schreiber, Vorsitzender im Presbyterium. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Vergeblich. „Wir haben nie Mehrheiten gefunden“, berichtet Kirchbaumeister Hans-Henning Schultes. Und es sei alles noch viel schlimmer gekommen, als anfangs befürchtet. „Angeblich sollte das Konstrukt Kosten sparen“, sagt er. „Das Gegenteil ist eingetreten.“

Nicht nur, dass man in der Gemeinde die Erfahrung mache, dass die Qualität der Dienstleistung viele Wünsche offen lässt und das Ausbügeln von Pannen für Arbeit und Verdruss sorgen. „Es sollte nicht unser Job sein, die Arbeit der Verwaltung zu prüfen, ist aber vielfach notwendig“, sagt Jürgen Fischer, zuständig für die Finanzen. „Man kann doch nicht ständig nach dem Prinzip verfahren: Findet den Fehler.“

Jüngst seien sie, so die Presbyter, wegen einer Pachtangelegenheit sogar bis vor das Kirchengericht der EKD nach Hannover gezogen und hätten gegen den Kirchenkreis einen Vermögensschaden geltend gemacht und Schadenersatz erwirkt. „Es ist traurig, dass man so einen Weg beschreiten muss“, findet Dietmar Paul. Der kirchenrechtliche Erfolg tröstet die Verantwortlichen in der ländlichen Gemeinde kaum.

Es sind vor allem die galoppierenden Kosten, die für die Zentralverwaltung abfließen und „große Sorgen“ bereiten, weil die gewählten Vertreter der Gemeinde damit auch den Rest an Selbstbestimmung schwinden sehen. Dabei zeichne sich vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft ohnehin ab, dass die Einnahmen aus der Kirchensteuer spürbar zurückgingen, so Finanzkirchmeister Fischer. Um so wichtiger sei es, die Ausgaben in den Griff zu bekommen.

Und genau da liege das Problem. Im ersten Jahr nach Umsetzung der Strukturreform habe die Kirchengemeinde Alpen 40.000 Euro für die Verwaltung an den Kirchenkreis abgeführt, die personell auf inzwischen 50 Mitarbeiter angewachsen sei. Bis heute liege die Steigerung für die Umlage bei 290 Prozent, rechnet Fischer vor. Eine Prognose der Verwaltung für die nächsten fünf Jahre gehe davon aus, dass die Kostenspirale um 420 Prozent – also auf mehr als das Vierfache – angestiegen sein werde. „Das ist fast die Hälfte unseres Kirchensteueraufkommens und nimmt uns jegliche Spielräume“, so Fischer weiter.

„Uns geht es nicht darum, die Solidargemeinschaft im Kirchenkreis aufzukündigen“, stellt Dietmar Paul, der wie Peter Jahns aus Alpsray neu ins Presbyterium gewählt worden ist, klar. Der Versuch, in den benachbarten Kirchenkreis Kleve zu wechseln, wo man sich strukturell besser aufgehoben sähe, ist gescheitert.

„Nun droht ein Desaster. Wir können die Entwicklung nicht einfach so weiterlaufen lassen.“ Daher sehe man sich gezwungen, öffentlich zu werden. „Wir brauchen Lösungen und neue Konzepte, um als Gemeinde handlungsfähig zu bleiben“, so Jahns, der am Ende schon die Tendenz aufscheinen sieht, dezentrale örtliche Kirchengemeinden zu großen Einheiten zusammenzuführen. „Einen solchen Weg lehnen wir ab“, so der Vorsitzende Schreiber.

Die Presbyter argumentieren nicht nur finanz- und strukturpolitisch, sondern auch theologisch. Sie berufen sich auf das evangelische Verständnis, dass die Gemeinde „Ursprungsort und Basis der Kirche überhaupt“ sei. Das „reformatorische Gemeindeprinzip“ sei auf der Emdener Synode 1571 – vor 450 Jahren also – festgeschrieben worden. Die Kirchengemeinde Alpen will folglich wieder zurück zu den Ursprüngen der presbyterial-synodalen Ordnung und eine Rückkehr zu selbstbestimmter Eigenständigkeit. „Lasst die Gemeinde dauerhaft wieder selbst entscheiden“, lautet die Forderung der protestantischen Basis.

Die Landessynode der Evangelischen Kirche in Rheinland habe zu Beginn des Jahres einen Hoffnungsschimmer ausgesandt. Da sei der Grundsatz der Subsidiarität festgeschrieben worden. Der besage, dass Kirchenkreise nur Aufgaben wahrnehmen sollen, die von den Gemeinden nicht hinreichend erfüllt werden können. Nicht mehr – und nicht weniger. Grundsätzlich gelte weiter: Alle Macht geht von der Gemeinde aus.

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