Laientheater in Alpen Beifall für eine bitterböse Abrechnung

Alpen · Die Theatergruppe Spiellust überzeugt im Alpener Schulzentrum mit der Komödie „Ein großer Aufbruch“.

 Leichenschmaus: Holm (Mitte) stößt mit seiner Ankündigung, den Freitod zu wählen, auf entschiedene Widerstände seiner Mitmenschen.

Leichenschmaus: Holm (Mitte) stößt mit seiner Ankündigung, den Freitod zu wählen, auf entschiedene Widerstände seiner Mitmenschen.

Foto: Ostermann, Olaf (oo)

„Ich finde es wunderbar, bei seinem eigenen Leichenschmaus dabei zu sein. Die meisten Toten wissen ja gar nicht, was ihnen entgeht“, findet Harald Hopp in der Rolle des todkranken Holm. Mit der Komödie „Ein großer Aufbruch“ von Magnus Vattrodt hat sich Ludger Terlinden, Regisseur der niederrheinischen Theatergruppe Spiellust, mal wieder ein Stück ausgesucht, das fast den Eindruck erweckt, es sei eigens für dieses Ensemble geschrieben worden. Das Premierenpublikum im Pädagogischen Zentrum Alpen ahnt am Samstagabend schon beim Anblick des Bühnenbildes, was es erwarten darf.

Die aus zahlreichen aufgeklebten und weiß gestrichenen Koffern bestehende Zimmerwand visualisiert wunderbar den thematischen Hintergrund der Handlung des Bühnenstücks. Diese bewegt sich allerdings schnell in eine ganz andere Richtung, als der ausgeprägte Narzisst Holm sich das vorgestellt hat. Im Kreise seiner Liebsten wollte er zwischen Pastete, Wild und leckerem Wein seinen für kommenden Mittwoch in der Schweiz geplanten Freitod verkünden und sein Lebenswerk noch einmal gebührend würdigen lassen.

Das Problem ist nur: Aus Sicht seiner Gäste gibt es nicht den geringsten Grund dafür und so entwickelt sich ein Stück voller Zynismus, beißender Ironie und voll mit Dialogen, die mit offener Klinge geführt werden. „Unser Leben war eine Aneinanderreihung von Katastrophen“, konstatiert etwa die glänzend aufgelegte Maike Wördehoff in der Rolle der Holm-Tochter Marie gleich zu Beginn. Für zusätzlichen Zündstoff sorgt die Tatsache, dass Holm mit Ella (Simone Gietmann) Mutter und Ex-Frau eingeladen hatte. „Während du alle Drogen durchprobiert und dir jeden Kerl geschnappt hast, der nicht bei drei auf dem Baum war, haben wir uns um deine Kinder gekümmert“, ereifert sich die gewohnt spielfreudige Regine Meyering in der Rolle der Ex-Freundin Katharina.

Zusätzlich treibt sie Gatte Adrian mit seiner Nibelungentreue zu seinem Freund Holm in den Wahnsinn: „Du hast kein Rückgrat und keine Haltung. Ich bin mit einem Gummibaum verheiratet.“ Die Vorgabe, diesen Adrian mit aberwitzigen Bemühungen um Deeskalation zwischen den Fronten agieren zu lassen, wird von Hans West ausgezeichnet in Szene gesetzt und sorgt immer wieder für Lacher im Publikum.

Währenddessen läuft der Abend für den Gastgeber vollends aus dem Ruder. Mit der verbalen Abrissbirne fallen die Gäste über sein Lebenswerk her – und nicht nur das: Denn einmal mit der Aufarbeitung der gesammelten Lebenslügen beschäftigt, werden nebenbei auch die zwischenmenschlichen Verflechtungen aller Beteiligten offengelegt, und es wird deutlich, dass es zwischen Holm und Katharina, Adrian und Holm-Tochter Charlotte (Jana Polm) und überhaupt ziemlich vertraut zugeht.

Auch wenn keine Wunde übrigbleibt, die nicht aufgerissen wird, soll sich dieses Abendmahl letztlich als heilsam für alle Beteiligten herausstellen. Das Publikum erlebt ein abwechslungsreiches und sehr gut inszeniertes Stück, gespickt mit schwarzem Humor, der Lacher mitunter im Halse stecken lässt. Nach einer genialen Schlussszene voller Symbolkraft erntet das Ensemble zu Recht stehenden Applaus.

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