Rheinberg Einzelhändler erkunden die digitale Welt

Rheinberg · Nirgendwo anders in der Region liegen eine kleinstädtische Fußgängerzone mit traditionellen Geschäften und ein Amazon-Logistikzentrum als Synonym für modernes Online-Kaufverhalten so dicht beieinander wie in Rheinberg.

 Ein Blick auf die Packstationen bei Amazon in Rheinberg. Am 15. September 2011 hat das erste Päckchen das Logistikzentrum verlassen. Inhalt: ein 24-Zoll-Computerbildschirm. Die Mitarbeiter erfahren übrigens nicht, welcher Kunde was bestellt hat. Die Abwicklung ist anonymisiert.

Ein Blick auf die Packstationen bei Amazon in Rheinberg. Am 15. September 2011 hat das erste Päckchen das Logistikzentrum verlassen. Inhalt: ein 24-Zoll-Computerbildschirm. Die Mitarbeiter erfahren übrigens nicht, welcher Kunde was bestellt hat. Die Abwicklung ist anonymisiert.

Foto: Christoph Reichwein

Dem Einzelhandel in Rheinberg geht es nicht besonders gut. Die Leerstände in der Innenstadt (wir berichteten) geben Anlass zur Sorge. Wer nach den Ursachen für das Dilemma fragt, bekommt verschiedene Antworten. In Rheinberg spielt die Innenstadtsanierung ganz sicher eine Rolle. In den Jahren 2011/2012 sind Rheinstraße und Orsoyer Straße (Nord-Süd-Achse) komplett erneuert worden, im Anschluss erfolgte der Bau des Hotels am Fischmarkt. Dauerbaustelle. Zum Durchatmen blieb den leidgeprüften Geschäftsleuten kaum Zeit, da begann auch schon die fast vollendete Marktplatzneugestaltung. Weiter geht es in diesem Jahr mit Holz- und Fischmarkt, bevor dann die Gelderstraße als Fußgängerzone an der Reihe ist.

 Antje Kurz-Möller (li.) führte Mitglieder der Rheinberger Werbegemeinschaft durch das Rheinberger Amazon-Logistikzentrum.

Antje Kurz-Möller (li.) führte Mitglieder der Rheinberger Werbegemeinschaft durch das Rheinberger Amazon-Logistikzentrum.

Foto: Uwe Plien

Wie überall macht sich auch in Rheinberg der stark wachsende Online-Handel bemerkbar. "Amazon" ist fast schon ein Synonym für den Niedergang des stationären Einzelhandels geworden. Nirgendwo in der gesamten Region liegen "alt" und "neu", liegen die Geschäftsstraße einer 32.000-Einwohner-Klein-stadt und das Amazon-Logistikzentrum als sichtbares Zeichen des modernen Konsumverhaltens so nahe beieinander wie in Rheinberg. Ein Kilometer, mehr ist das nicht.

Die Mitglieder der Werbegemeinschaft Rheinberg lassen sich davon nicht schrecken, nimmt die gigantische Konkurrenz sportlich und stattete Amazon einen Besuch ab. Die Mitgliederversammlung der Kaufleutevereinigung fand diesmal bei Amazon statt. 29 Mitglieder begaben sich gewissermaßen in die Höhle des Löwen. Amazon-Pressesprecherin Antje Kurz-Möller führte durch den Abend, zu dem auch eine Besichtigung des 110.000 Quadratmeter großen Logistikzentrums mit etwa 2000 Mitarbeitern gehörte. Dort lagern im Schnitt eine Million verschiedene Artikel in den Regalen. Warenwert insgesamt: mehrere Milliarden Euro.

"Hier soll es heute darum gehen, welche Möglichkeiten es für uns im digitalen Zeitalter gibt", sagte Werbegemeinschaftsvorsitzende Ulrike Brechwald. Und der städtische Wirtschaftsförderer Thomas Bajorat gab zu, dass ihn das von Amazon seit Jahren verfolgte Konzept "Marketplace" fasziniere. Dabei haben Einzelhändler die Chance, ihre Produkte über die in Europa erreichbaren Amazon-Sites mit Hilfe eines eigenen Online-Shops, der 39,90 Euro Gebühr pro Monat kostet, zu betreiben. Wobei sie sich entscheiden können, ob sie die bestellte Waren selbst von ihrem Standort aus verschicken oder ob sie sie bei Amazon einlagern und dem US-Riesen die ganze Abwicklung des Verpackens und Versendens an die Kunden überlassen.

Ist die Zusammenarbeit des Einzelhandels mit Amazon nun Segen oder Fluch? Das muss jeder für sich entscheiden. Einige der Rheinberger sagten ganz klar, dass diese Lösung für sie nicht in Frage kommt. Ulrike Brechwald unterdessen verkauft ihren Bastelbedarf schon seit zehn Jahren über Amazon-Marketplace und hat Erfolg damit.

Amazon berechne zehn bis 15 Prozent Provision pro verkauftem Artikel, werbe aber auch für die kleinen Händler und zeige sich sehr hilfsbereit. Ulrike Brechwald: "Man erreicht über Marketplace unheimlich viele Kunden. Für mich ist das ein schönes Zusatzgeschäft."

(up)
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