Rheinberg Betontod - 100.000 Fans, aber nie im Radio

Rheinberg · Heute erscheint das neue Album "Revolution" der Rheinberger Punkrocker. Ab 2018 organisieren sie eigene Festivals in Deutschland.

 Mario Schmelz, Frank Vohwinkel, Olli Meister, Maik Feldmann und Adam Dera (von links) sind Betontod: Sie haben sich spät für den Weg in die musikalische Professionalität entschieden.

Mario Schmelz, Frank Vohwinkel, Olli Meister, Maik Feldmann und Adam Dera (von links) sind Betontod: Sie haben sich spät für den Weg in die musikalische Professionalität entschieden.

Foto: Boris Breuer

Daumen hoch auf der einen Seite, fragendes Schulterzucken auf der anderen. Beeindruckender Star-Kult hier, totale Ahnungslosigkeit dort: "Betontod" ist ein Phänomen, berühmt und unbekannt zugleich. Doch das stört die Rheinberger Band mit der ungewöhnlichen Geschichte nicht. "Wir ziehen unser eigenes Ding konsequent durch und fahren ganz gut damit", erzählt Frank Vohwinkel, genannt "Eule". Heute erscheint das neue Album der Punkrocker - ihr erstes auf "A Rising Empire", einem Sublabel von "Nuclear Blast", das als weltweit größtes Heavy-Metal-Label gilt. "Revolution" heißt die Scheibe, wiederum im Studio von Vincent Sorg aufgenommen und auch von ihm produziert. Sorg ist ein Großer der Branche, produziert auch die "Toten Hosen". Gut möglich, dass das neue Album wie die beiden zuvor binnen weniger Tage in die Charts schnellt.

Wenn Frank Vohwinkel (Gitarre, Gesang), Oliver Meister (Gesang), Adam Dera (Bass), Mario Schmelz (Bass) und Maik Feldmann (Drums) auf der Bühne stehen, werden sie von tausenden Fans gefeiert. Nicht erst einmal haben sie ihre durchweg deutsch betexteten, schnellen und harten Songs bei Festivals vor 20.000 Leuten gespielt. Zu ihrem Weihnachtskonzert 2016 in der Düsseldorfer Misubishi Electric Halle kamen sagenhafte 3500 Fans.

 Gitarrist "Eule" - Frank Vohwinkel - bei einem Video-Dreh

Gitarrist "Eule" - Frank Vohwinkel - bei einem Video-Dreh

Foto: Arfi (Archiv)

Aber nicht nur live bricht "Betontod" Rekorde. Ihre Videos werden bei YouTube bis zu 1,5 Millionen Mal angeklickt, bei Facebook hat die Band über 100.000 Follower. Beim Internet-Musikdienst Spotify wählen pro Monat mehr als 50.000 Menschen die Songs der Rheinberger. Und trotz stark rückläufiger Verkaufszahlen legen die Anhänger der Rheinberger für jedes Album gerne Bares auf den Tisch: Rund 20.000 Tonträger verkauft die Band durchschnittlich pro Jahr.

Beeindruckende Zahlen, die so gar nicht zu dem passen, was Eule zur öffentlich-rechtlichen Wahrnehmung zu sagen hat: "Wir sind noch nie im Radio gelaufen. Und bis auf einen einzigen kleinen Bericht auch noch nie im Fernsehen. Wir werden komplett ignoriert." Und das, obwohl die Betontoten ein professionelles Management haben und die Sender mit Ton- und Videomaterial genau so bemustert werden wie von anderen Künstlern.

Bei Jugendsendern hören die Musiker - sie sind bis auf Drummer Maik alle knapp über 40, dass sie zu alt seien für die Zielgruppe. "Komisch", sagt Vohwinkel, der alle Betontod-Songs schreibt. "Denn unsere eigenen Recherchen haben ergeben, dass unserer Hörer zwischen 16 und 34 Jahre alt sind. Wenn das nicht die Zielgruppe von Sendern wie 1Live ist, dann weiß ich es auch nicht. Die gleichen Leute, die mit dem Alter gegen uns argumentieren, legen Songs von den Hosen auf, die 15 Jahre älter sind als wir."

Frust schiebt die Band deswegen keinesfalls. "Wir erreichen unsere Leute trotzdem, eben auf anderen Wegen." Übers Internet beispielsweise. Und über eine regelmäßige Live-Präsenz. Das Weihnachtskonzert im Dezember war das tausendste der Band.

Angefangen haben "Betontod" als 15-jährige Schüler im Rheinberger Jugendzentrum Zuff. Das war 1990. Der damalige Leiter, Kalle Becker, war Jazz-Bassist und zeigte Olli, Eule und Mario die ersten Griffe auf der Gitarre. Bald kam Adam zur Band, die vier blieben zusammen. Nur die Drummer wechselten hin und wieder. Nach ersten lärmenden Auftritten in Jugendzentren folgten schnell kleinere Festivals. Betontod kam rum, trat in den letzten Kaschemmen im Osten, Westen, Süden und Norden der Republik (und darüber hinaus) auf, brachte Platten heraus, verkaufte unfassbar viele T-Shirts mit dem Band-Logo und erarbeitete sich einen Namen in der Szene.

"2010 haben wir uns dann zusammengesetzt und überlegt, wie es mit der Band weitergehen soll", erinnert sich Frank Vohwinkel. "Ob wir das hobbymäßig weitermachen oder richtig durchstarten wollen." Die Entscheidung war schnell gefallen - und zwar pro Karriere. Wohlgemerkt: Da bestand "Betontod" schon 20 Jahre, die Jungs waren in den Dreißigern und hatten zum Teil schon Frau und Kinder. Betontod wurde eine Firma, jobmäßig stellten sich die Mitglieder darauf ein, schafften sich Spielräume, um trotz beruflicher Verpflichtungen ins Studio und auf Tourneen gehen zu können. "Der zeitliche Aufwand für die Organisation der Band ist enorm", so Vohwinkel, der mit Frau und zwei Kindern in einem schönen Eigenheim wohnt und einen guten Job in der IT-Branche hat. "Aber jeder hat seine Aufgabe und seinen Bereich, um den er sich kümmert."

Im nächsten Jahr kommt eine neue Aufgabe hinzu. Eule: "Wir wollen in verschiedenen Städten in Deutschland eigene Betontod-Festivals aufziehen. Weil es auch in diesem Bereich für uns immer schwerer wird, einen Fuß in die Tür zu kriegen."

Heute Abend aber stoßen die Musiker erst einmal auf die Veröffentlichung ihrer neuen Platte an. Ab 19 Uhr im "Pitcher" in Düsseldorf-Bilk. Fans und Medienleute sind eingeladen, mit der Band ins Gespräch zu kommen. Wer weiß: Vielleicht ist ja ein gnädiger Radio-Mann dabei.

(up)
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