Rheinberg Aufgetauchter Apostel in der Werkstatt

Rheinberg · Die Ende der 70er Jahre gestohlene und jetzt wieder aufgetauchte Apostelfigur aus dem Hochaltar von St. Peter wird in Wesel restauriert. Die Replik ist etwas knubbeliger als das Original, das sich in einem recht guten Zustand befindet.

 Beate Zumkley kümmert sich um den Rheinberger Rückkehrer. Kunstpfleger Reinhard Karrenbrock sorgte sich mehr um den Propheten aus Kleve.

Beate Zumkley kümmert sich um den Rheinberger Rückkehrer. Kunstpfleger Reinhard Karrenbrock sorgte sich mehr um den Propheten aus Kleve.

Foto: Martin Büttner

Wenn Beate Zumkley die beiden - Original und Kopie - nebeneinander sieht, muss sie ein wenig schmunzeln. Der Faltenwurf der Apostelfigur aus dem Hochaltar in St. Peter in Rheinberg ist perfekt. Die beiden Figuren sind gleich hoch. Doch hat der nachgemachte Apostel ein viel kräftigeres Gesicht und eine breitere Statur. So wirkt er kleiner und knubbeliger. "Die Replik wurde nach einem Foto gearbeitet - anscheinend hat man die Proportionen darauf nicht wirklich erkennen können", sagt die Restauratorin aus Wesel.

Nun hat die Kopie ausgedient. Denn die Figur, die Anfang der 70er Jahre aus St. Peter gestohlen und dann durch Nachbildungen ersetzt worden war, ist wieder zurück. Wie Enseno, eine Figur, die aus einem Altar in Kleve verschwunden war. Wie ausführlich berichtet hat, das Bundeskriminalamt sie nach einer aufwendigen Recherche bestimmen können und dem Bistum Münster übergeben. Das lässt den Apostel Nr. 6 wie den Propheten aus dem Kreuzaltar der Stiftskirche in Kleve nun sorgfältig restaurieren.

Mit dem Zustand der Heimkehrer sind die Restauratorin und Reinhard Karrenbrock, Kunstpfleger des Bistums, sehr zufrieden. Sie scheinen vom Dieb gut behandelt worden zu sein. Der Apostel (um 1435) aus Rheinberg ist gut in Schuss. Der Prophet (frühes 16. Jahrhundert) aus Kleve macht ihnen allerdings ein wenig mehr Sorgen. Der Text auf dem Spruchband etwa ist nicht mehr zu lesen. Bei der Figur ist zudem die sogenannte Fassung, die Bemalung, so fragil, dass Beate Zumkley nicht wagt, sie in die Senkrechte zu bringen. Über die Schönheit des Propheten sind sich beide einig. "Das ist ein Beispiel bedeutender Bildhauerkunst", so Karrenbrock.

In den nächsten Monaten wird die Diplom-Restauratorin Stück für Stück den zersetzen Leim auf dem Holzkern der Heiligen ausbessern, damit die Farbe nicht abplatzt. "Ich lasse die Figur danach immer einen Monat ruhen und kontrolliere sie dann wieder", erklärt sie. So wird nach und nach die Fassung wieder gefestigt. Der Apostel hat auf seiner Reise schon ein kleines Stück seines goldenen Umhangs verloren. Das liegt nun in einer Schale. Zumkley wird in Ruhe nach der Stelle suchen und es dort wieder einsetzen. Damit die Puzzlearbeit nicht zu umfangreich wird, bewahrt Japanpapier die Farbe davor, abzuspringen.

Alle im Kloster Maria Laach wieder aufgetauchten Figuren stammen aus Antwerpener Altarretabeln der Spätgotik, nur die Rheinberger Figur ist noch älter. Die Retabeln wurden nach dem Setzkastenprinzip komponiert, die Figuren standen lose darin. Die Antwerpener Werkstätten waren im Spätmittelalter eine der ersten Adressen für solche Figurenreliefs. "Der Dieb hat immer eine Figur aus der ersten Reihe eines Altars herausgenommen oder -gebrochen", so Karrenbrock.

Über den oder die Täter kann auch Karrenbrock nur spekulieren. "Da er nur das Beste genommen hat, was es damals gab, muss er sich gut auskennen", sagt er. Der Dieb habe sich vor mehr als 45 Jahren regelrecht den Niederrhein runtergearbeitet. Alle Figuren seien in einem guten Zustand, zum Teil etwas verschmutzt. Das deute darauf hin, dass sie aufgestellt waren und nicht eingepackt gelagert wurden. Berichten, wonach jemand die Koffer über die Klostermauern "geworfen" habe, widersprachen der Experte und die Restauratorin. Von "Werfen" könne keine Rede sein. "Durch den Aufprall wären die Figuren alle zerstört worden." Vor allem der schwere Apostel aus St. Peter hätte die anderen zerschmettert.

Die Figuren werden in absehbarer Zeit auf ihre angestammten Plätze in den Altären zurückkehren. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden seit den Diebstählen verstärkt. So ist der Altar in der Klever Stiftskirche nur noch hinter Plexiglas zu sehen. "Das ist nicht schön, aber das geht leider nicht mehr anders", betont Karrenbrock. Zudem sind die Figuren mechanisch gesichert, die Chorbereiche mit einem Alarmsystem geschützt.

Karrenbrock glaubt an die These, dass der Dieb ein reuiger Sünder war. "Deshalb hat er vielleicht die Koffer auch in dem Kloster abgestellt - in der Hoffnung, dass die Benediktiner den Wert der Sammlung beurteilen können." Außerdem sind die beiden froh, dass der Mönch, der die Koffer gefunden hat, sie überhaupt geöffnet und nicht sofort die Polizei gerufen hat. Wäre ein Sprengstoffkommando gerufen worden, wäre die Sache sicherlich anders ausgegangen. "In Zeiten wie diesen können wir von Glück sagen, dass die Koffer nicht in die Luft gesprengt worden sind", stellt Zumkley fest. Zu dem Wert der Figuren äußert sich das Bistum weiterhin nicht. Die Summe von 10.000 Euro sei zu gering, die von einer Million viel zu hoch - das lässt genügend Raum zum Spekulieren. "Aber sie sind aufgrund ihrer Bekanntheit unverkäuflich", stellt der Kirchenkunstexperte fest.

Es wird lange dauern, bis die Figuren wieder in den Kirchen zu sehen sein werden - in Rheinberg besonders lange. Denn auch die anderen Apostel des Hochaltars werden zurzeit restauriert, damit sie perfekt aussehen, wenn das Bonner LVR-Landesmuseum sie ab Mitte 2017 in einer Ausstellung zur Zisterzienserkultur zeigt. Höchstwahrscheinlich stamme der Altar aus Kloster Kamp, einer der bedeutendsten Zisterzienser-Abteien, sagt Karrenbrock. Wer den Apostel vor seiner Rückkehr nach Rheinberg sehen möchte, der muss deshalb im nächsten Jahr zuerst einmal nach Bonn fahren.

(mso)
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