Evangelische Kirchengemeinde Alpen Alltagsgeschäft und ein theologischer Zwischenruf in der Krise

Alpen · Alpens Pfarrer-Ehepaar Heike und Hartmut Becks beschreibt den kirchlichen Alltag in der Pandemie – für die Theologen Anlass zur Neuausrichtung.

 Heike und Hartmut Becks teilen sich die Aufgaben in der Evangelischen Kirchengemeinde Alpen.

Heike und Hartmut Becks teilen sich die Aufgaben in der Evangelischen Kirchengemeinde Alpen.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Pfarrerin und Pfarrer Becks von der Evangelischen Kirchengemeinde Alpen gehen ihrem Alltagsgeschäft nach, aber unter anderen Vorzeichen. Denn Besuche, Seelsorge von Angesicht zu Angesicht und Gottesdienste sind in Zeiten der Corona-Pandemie nicht möglich. „Wir rufen zurzeit die Menschen aus der Gemeinde an, da wir sie ja nicht besuchen können. Zum Beispiel die Älteren, die jetzt Geburtstag haben“, erzählt Pfarrer Hartmut Becks. „Manche Gespräche sind ernster, aber viele auch sehr heiter und nicht von der augenblicklichen Situation gedrückt.“

Dass darüber hinaus das Netzwerk in der ganzen Kirchengemeinde funktioniert, bestätigt Heike Becks, die sich mit ihrem Mann die Aufgaben in der Gemeinde teilt. „Unsere Frauenhilfe zum Beispiel ist untereinander gut miteinander verbunden. Die Frauen rufen sich gegenseitig an. Dass man dort aufeinander achtet, war glücklicherweise schon vor Corona der Fall. Jetzt vielleicht ein bisschen mehr.“

Überhaupt bleibe die Zeit mit der Kontaktsperre nicht stehen. Sonntags nach dem 10-Uhr-Läuten der Glocken blasen die Posaunen vom Turm der Kirche an der Burgstraße. Anschließend liest Pfarrer Hartmut Becks über Lautsprecher den Bibeltext für den Sonntag und spricht ein Gebet. „Die Menschen auf der Straße sind am Palmsonntag stehen geblieben und haben zugehört – natürlich in gebührendem Abstand voneinander“, erzählt der Pfarrer mit erkennbarer Freude. Sogar Autofahrer und ein Linienbus hätten ihr Tempo stark gedrosselt. Eine Art Andacht sei das gewesen.

Das ökumenische Glockenläuten im Ort um 19.30 Uhr – im Gleichklang mit St. Ulrich einen Steinwurf entfernt – finde eine gute Resonanz, berichtet Heike Becks. „Zwar sieht man in der Sommerzeit die Lichter in den Fenstern nicht mehr so gut. Aber Einzelne haben mir berichtet, dass sie innehalten, wenn sie die Glocken hören, und die Losungen lesen.“ Losungen sind Verse aus der Bibel für jeden Tag. Ein Impuls zum Nachdenken.

Überhaupt sei die aktuelle Krise ein Anlass, vermeintliche Gewissheiten zu „überdenken“. Grundsätzlich. „Spätestens seit der Klimakrise wächst die Erkenntnis, dass die Fiktion einer totalen Autonomie des Menschen nicht nur eine Selbstüberschätzung, sondern ein fataler Irrweg ist“, schreibt Becks in einem „theologischen Zwischenruf“ auf der Internetseite der Kirchengemeinde.

Durch die augenblickliche Entwicklung könnten – „wenn sie es denn zuließen“ – die Gesellschaft, aber auch die Kirche selbst, etwas Großes über sich selbst lernen, „nämlich dass ganz grundsätzlich nicht alles beherrschbar oder gar planbar ist“, wie es so oft den Anschein habe. Die „behagliche Annahme“, dass der Mensch alles im Griff habe, „Glück und Verderben, Leben und Sterben“, werde momentan erschüttert. Die „Absolutierung der Vernunft“ verliere seine Strahlkraft. Der Mensch stoße in der augenblicklichen Situation „unmissverständlich“ an die „Grenzen des Machbaren“.

Es bleibe immer „eine letzte Abhängigkeit von Unverfügbarem“. Diese vielleicht schmerzhafte Erkenntnis biete aber die Chance, dass daraus „eine aufgeklärte Form moderner Demut“ wachsen könne, die „vor allem zum Staunen über die Unerklärlichkeit alles Existentiellen führt“, schreibt der Theologe. Kirche wiederum könne, ja müsse lernen, sich „nicht sogleich pragmatisch in gesellschaftliche Strategien einzuklinken“ und dabei „ihre geistlichen Anfragen hinten anzustellen“. Kirche dürfe sich jetzt „nicht darin erschöpfen“, staatliche Gesundheitsprävention, und sei sie noch so richtig, „lediglich zu flankieren“. Ihr müsse es um die tiefere Dimension gehen, darum, „den viel weiteren Horizont der Spiritualität unbedingt gegen das Missverständnis einer schrankenlosen Selbstermachtung des Menschen zu verteidigen“. Der ganze Zwischenruf findet sich auf der Internetseite der Kirchengemeinde unter

(bp)
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