Vortrag in Alpen Erschreckende Bestandsaufnahme zum Thema Kindesmisshandlung

Alpen · Der Kinderschutzbund Alpen, der 40 Jahre alt geworden ist, hatte Hans-Josef Hackstein zu einem Vortrag eingeladen. Er plädierte für eine höhere Aufmerksamkeitskultur.

 Referent Hans-Josef Hackstein legte deprimierende Zahlen vor.

Referent Hans-Josef Hackstein legte deprimierende Zahlen vor.

Foto: Kinderschutzbund

Hans-Josef Hackstein forderte bei seinem Vortrag zum 40-jährigen Bestehen des Ortsverbandes Alpen im Kinderschutzbund eine intensivere Aufmerksamkeitskultur, wenn es um Gewalt an Kindern und Jugendlichen geht. Obwohl Kindesmisshandlung – auch Schläge – unter Strafe stehen und Sachverständige, Praktiker und auch der Kinderschutzbund immer wieder auf die zerstörende und entwürdigende Form von Erziehung hinweisen, scheine ein durchgreifender Erfolg nicht in Sicht.

Ausmaß und Dringlichkeit des Problems machte Hans-Josef Hackstein mit seinem Vortrag „Kinderelend – Kindesmisshandlung“ erschreckend deutlich. Die Veranstaltung im voll besetzten Rathaussaal richtete sich an alle, die mit Kindern – beruflich, ehrenamtlich oder privat – arbeiten.

Detailreich und zum Teil drastisch machte der Referent, vier Jahrzehnte Dozent an der Johannes-Kessels-Akademie in Gladbeck, bewusst, was Kindern angetan wird, wenn sie nicht genügend Nahrung bekommen, massive Verletzungen aufweisen, in unhaltbaren hygienischen Zustände leben und bei Krankheit nicht behandelt werden. Auch psychische Gewalt an Kindern kenne scheinbar keine Grenzen. Dazu zählt der Referent häufige Demütigungen, Einschüchterung, Isolation und Nichtbeachtung, die sich über Wochen hinweg ziehen können. Auch Erniedrigungen wie „Du bist lediglich ein Unfall“ oder „Du bist nichts, kannst nichts, wirst nichts“ würden sich verheerend auf die psychische Entwicklung von Kindern auswirken.

Dazu belegen Zahlen des statistischen Bundesamtes die Dimension des Problems. Demnach wurden im vorigen Jahr von den Jugendämtern bundesweit 50.400 Fälle von Kindeswohlgefährdungen offiziell festgestellt und gemeldet, zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Insgesamt geprüft wurden in 2018 bundesweit 157.300 Verdachtsfälle. 38 Prozent jener Kinder, die als gefährdet eingestuft wurden, waren zwischen zehn und 17 Jahren alt, jedes Vierte jünger als drei. Insgesamt starben in Deutschland im vorigen Jahr offiziell 136 Kinder unter 14 Jahren durch Misshandlung. Drei Viertel waren jünger als sechs Jahre. Schätzungen der Kinderschutzverbände gehen von weit höheren Zahlen aus.

Hackstein fordert eine intensivere Aufmerksamkeitskultur. Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter und Erzieherinnen müssten weiter sensibilisiert werden, um Misshandlungen frühzeitig zu erkennen. Er appelliert auch an die Bevölkerung, genauer hinzusehen. Bei Unsicherheit könne man sich auch anonym ans Jugendamt wenden.

Körperliche und seelische Gewalt an Kindern ziehe sich durch alle Schichten. „Häufigste Ursache ist eine Überforderung der Eltern“, meint Hackstein. Oft seien sie mit ihren Problemen allein gelassen. Er weist dabei darauf hin, dass sich Betroffene ans zuständige Jugendamt, die Polizei und auch an den Kinderschutzbund wenden können.

In der lebhaft geführten Diskussion, die Karin van Bonn, Vorsitzende des Alpener Kinderschutzbunds, leitete, wurde deutlich, wie sehr das Thema bei den Zuhörern auf Resonanz stieß. Vize-Bürgermeister Kurt Verhülsdonk bedankte sich beim Kinderschutzbund für seinen Einsatz. Der Alpener Ortsverband wird zudem im Frühjahr einen Vortrag über „Prävention vor sexuellem Missbrauch“ anbieten.

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