Rhein-Kreis Neuss Wirbel um FDP-Papier zu "Werteoffensive"

Rhein-Kreis Neuss · FDP-Kreisvorsitzender Bijan Djir-Sarai fordert eine "Rückbesinnung auf die wehrhafte Demokratie" - und erntet Kritik.

Gerhard Papke (l.) und Bijan Djir-Sarai: Steht ihr Strategiepapier für einen Rechtsruck in der FDP oder ein Zugehen auf die Wähler der AfD?

Gerhard Papke (l.) und Bijan Djir-Sarai: Steht ihr Strategiepapier für einen Rechtsruck in der FDP oder ein Zugehen auf die Wähler der AfD?

Foto: L. Berns

Mehr "Mut zu radikalen Problemlösungen" und eine "geistige Neugründung" der Partei hat FDP-Bundesvorsitzender Christian Lindner gefordert - und Bijan Djir Sarai, FDP-Vorsitzender und früherer Bundestagsabgeordneter aus dem Rhein-Kreis, hat geliefert. Gemeinsam mit seinem Parteifreund Gerhard Papke, Vizepräsident des Landtags von Nordrhein-Westfalen, präsentierte er den Liberalen ein Zehn-Punkte-Papier "Für eine Werteoffensive und die Rückbesinnung auf die wehrhafte Demokratie". Darin geht es unter anderem um eine aktivere Rolle Deutschlands bei internationalen Militäreinsätzen und die Asylpolitik, vor allem aber um Reaktionen auf den Islamismus und ganz konkret die Gräueltaten der Terrorgruppe "Islamischer Staat" in Syrien sowie die Aktionen mit ihr sympathisierender Salafisten in Deutschland.

Das Echo ist gewaltig. Djir-Sarai und Papke stehen im Kreuzfeuer - nicht nur von politischen Gegnern, sondern auch parteiintern. Auf den Facebook-Seiten der FDP und des Liberalen aus Grevenbroich werden die Listen mit Kommentaren zum Thema immer länger. Bei den Gegnern des Strategie-Papiers liest sich das zum Beispiel so: "Fischen am rechten Rand. Liberalismus adé" oder "Ich bin eigentlich in der FDP, weil wir die Einzigen sind, die gesellschaftliche Pluralität mit ökonomischer Vernunft verbinden. Bei Asylfragen vom ,unkontrollierten Zugang' zu reden, zeigt im besten Falle Unkenntnis".

Andere halten das Strategiepapier für "unzeitgemäß" und geeignet, "Öl ins Feuer zu gießen". Die Meinungen sind jedoch geteilt, Djir-Sarai und Papke haben in den Kommentaren durchaus auch viele Unterstützter. Sie kritisieren, dass mit der "Nazi-Keule" auf die Verfasser der zehn Punkte eingedroschen werde. Auch ein typischer Kommentar: "Dieses Papier ist gut und war lange überfällig!" Ein Grundproblem aus der Sicht der Autoren des Strategiepapiers, das FDP-weit verteilt wurde und Ende November bei einer Klausurtagung von FDP-Landesvorstand und Landtagsfraktion diskutiert werden soll: "Wir Deutschen haben uns daran gewöhnt, unser Land als eine Insel der Friedfertigkeit zu betrachten, an der Kriege und Gewalt schon irgendwie vorbeiziehen werden, wenn wir uns nur möglichst still verhalten." Deutschland habe darauf verzichtet, eindeutige Regeln für Zuwanderung und Integration zu formulieren. "Multikulturelle Naivität", so Papke und Djir-Sarai, werde von einer Realität eingeholt, "in der Islamisten unseren pluralistischen Wertekonsens verächtlich mit Füßen treten". Der "wehrhafte Rechtsstaat" müsse dem ebenso "mit aller Härte" entgegentreten wie Rechtsradikalen, die die Bedrohung durch den Islamismus für ausländerfeindliche und undemokratische Ziele missbrauchten.

So weit gibt es vergleichsweise wenig Widerspruch, der entzündet sich eher an den im Strategiepapier folgenden zehn "Grundsätzen". Dort wird zum Beispiel eine Reform des Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrechts gefordert. "Es muss klarer werden, dass politische und religiöse Extremisten in Deutschland nicht willkommen sind und nicht geduldet werden", schreiben die Autoren. Auch dürfe das Asylrecht nicht als "unkontrollierter Zugang für Menschen dienen, die die Werte einer offenen Gesellschaft nicht teilten. Kritiker werten das als Rechtsruck der FDP und Anbiederung an die Wähler der mit ähnlichen Themen erfolgreichen AfD.

Auch mit parteiinternem Widerstand ist zu rechnen. Nicht nur, dass Djir-Sarai und Papke die - bereits länger umstrittene - "Westerwelle-Doktrin" von der militärischen Zurückhaltung Deutschlands zur Seite wischen, sie gehen auch auf Konfrontationskurs zum sozialliberalen Flügel der Partei. Noch ist unklar, wie die Partei auf den Vorstoß Djir-Sarais und Papkes reagiert. Parteichef Christian Lindner erklärte in der vergangenen Woche aus Anlass des 80. Geburtstags des sozialliberalen Urgestein Cornelia Schmalz-Jacobsen, dass die FDP unverrückbar in einer Tradition stehe, die Zuwanderung und Vielfalt als Bereicherung für Deutschland betrachte.

Johannes Vogel, Generalsekretär der NRW-FDP, betont in einer Stellungnahme, dass er die Kritik Papkes und Djir-Sarais teile, nach der die Landesregierung das Thema Salafismus zu lange vernachlässigt habe. Vogel erklärt aber auch: "Eine Verschärfung im Einwanderungs- und Asylrecht braucht es nicht."

Bijan Djir-Sarai, mit elf Jahren als Flüchtlingskind aus dem Iran nach Grevenbroich gekommen, weist den Vorwurf von Ausländerfeindlichkeit oder rechten Gedankenguts in seinen mit Papke formulierten Thesen als "komplett absurd" zurück. Er setzt darauf, dass sich die Diskussion versachlicht. Ein Gutes habe sie trotz aller Schärfe bereits jetzt: "Die FDP diskutiert endlich wieder intensiv über wichtige politische Themen und weniger über sich selbst."

(NGZ)
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