Rhein-Kreis Neuss Wie sich Behinderte im Job bewähren

Neuss · Mustafa Idikut (53) kann nicht mehr richtig laufen. Auf seine Arbeit will er auf keinen Fall verzichten müssen.

 Mustafa Idikut leidet nach einer Krankheit an einer schweren Gehbehinderung. Mit Unterstützung des LVR hat der Mitarbeiter einen Elektrowagen für 12 000 Euro bekommen.

Mustafa Idikut leidet nach einer Krankheit an einer schweren Gehbehinderung. Mit Unterstützung des LVR hat der Mitarbeiter einen Elektrowagen für 12 000 Euro bekommen.

Foto: Lothar Berns

Sehr langsam und nur mit einem Gehstock kommt Mustafa Idikut, 53, voran. Jeder Schritt macht ihm große Mühe. Durch eine Krankheit ist er seit 2011 geh- und somit schwerbehindert. Arbeiten will und kann er trotzdem.

392 000 schwerbehinderte Menschen zwischen 15 und 65 Jahren leben im Rheinland, davon 8751 im Rhein-Kreis Neuss (Stand 2013). Eine Firma mit einer Größe ab 20 Arbeitsplätzen, muss mindestens fünf Prozent schwerbehinderte Menschen einstellen. Alternativ kann eine Ausgleichsabgabe gezahlt werden. "Diese ist aber gering", sagt Frank Hein, Schwerbehindertenvertreter bei der Firma Hydro Aluminium in Grevenbroich. Trotzdem: "Im Jahr 2013 hat das LVR-Integrationsamt 74 Millionen Euro Ausgleichsabgabe für das Jahr 2012 eingesammelt", sagt Michael Sturmberg vom LVR. Derzeit sind im Rhein-Kreis Neuss 1076 Schwerbehinderte arbeitssuchend. "Viele Arbeitgeber haben Vorbehalte und Berührungsängste", sagt er und glauben, dass Schwerbehinderte unkündbar seien. "Dabei zeigt die Praxis: Der Kündigungsschutz ist kein Problem", so Sturmberg.

Auch Frank Hein bestätigt, dass viele Firmen aus Scheu und Unwissenheit keine Schwerbehinderten einstellen würden. "Viele denken, dass sie öfter krank sind. Aber das Gegenteil ist der Fall. Sie sind hochmotiviert und froh, einen Arbeitsplatz zu haben. Sie geben alles", sagt Hein.

So auch Mustafa Idikut. Der 53-Jährige ist seit 36 Jahren im Betrieb -seit 2011 gehbehindert. Idikut ist sehr froh, dass er weiter arbeiten darf. "Als ich lange krank war, wusste ich nicht, was ich mit mir anfangen sollte", sagt der 53-Jährige. Außerdem sei es auch aus finanziellen Gesichtspunkten wichtig für ihn, weiterzuarbeiten.

Idikut arbeitete vor seiner Krankheit als Klärwärter in der Abwasseraufbereitung, danach musste er in die Arbeitssicherheit und Werkschutz wechseln, denn dort gab es die Möglichkeit, auch mit seiner Gehbehinderung zu arbeiten. Idikut kann viele organisatorische Aufgaben erledigen. Für alles andere hat er einen Elektrowagen vom LVR bekommen. 12 000 Euro hat die Anschaffung gekostet. Der LVR kümmert sich um die Einnahmen der Ausgleichsabgabe und verwaltet diese. "Sie umfasst alle erforderlichen Maßnahmen, die die Teilhabe von schwerbehinderten Menschen am Arbeitsleben sichern", sagt Sturmberg. Trotz des Zuschusses vom LVR von bis zu 80 Prozent ist es nicht immer leicht, einen Arbeitsplatz für Schwerbehinderte umzubauen. "Früher gab es viele Schonarbeitsplätze, heute ist das durch die Arbeitsabläufe und den Schichtbetrieb schwieriger. Es ist nicht immer einfach, Menschen mit einer Behinderung unterzubringen", sagt Hein. An den Maschinen sei es zu gefährlich für die Mitarbeiter und "sie können ihr Tempo häufig nicht mehr erfüllen", sagt Hein.

Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, neue Arbeitsplätze zu schaffen, es muss vielmehr nach Möglichkeiten gesucht werden, einem Schwerbehinderten die Arbeit im Betrieb, trotz seines Handicaps, zu ermöglichen. So auch im Fall von Mustafa Idikut. 130 schwerbehinderte Mitarbeiter sind bei Hydro Aluminium in Grevenbroich beschäftigt. Die meisten waren bereits vor ihrer Behinderung Mitarbeiter der Firma. Dass jemand als Schwerbehinderter neu in die Firma kommt, sei eher selten, sagt Schwerbehindertenvertreter Frank Hein.

2012 hatten rund 4200 Schwerbehinderte im Rhein-Kreis Neuss einen Arbeitsplatz - davon 22 Auszubildende. Karin Schliffke, Sprecherin der Agentur für Arbeit in Mönchengladbach, sieht eine positive Entwicklung. Dazu trägt auch die Aufklärungsarbeit bei, die der Landesverband sowie die Agentur für Arbeit organisieren bei. "Die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe", sagt Schliffke.

Das Arbeitsamt hat unter anderem ein Reha-SB-Team, dass Schwerbehinderte bei der Arbeitssuche unterstützt und berät. Schliffke beobachtet ein Phänomen: "Wenn der Arbeitsmarkt gut läuft, sind mehr Schwerbehinderte arbeitssuchend gemeldet. Das liegt daran, dass sich dann einfach mehr trauen, Arbeit zu suchen."

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort