Neuss Wie der Wahlkampf auf Facebook läuft

Neuss · Die Neusser Bundestagskandidaten setzen auf soziale Netzwerke - tasten sich aber noch an die neue Technologien heran. Für die Bilder und Statements der Politiker interessieren sich allerdings bislang nur wenige Wahlberechtigte.

Neusser Bundestagskandidaten (Wahlkreis Neuss I) im Online-Check
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Neusser Bundestagskandidaten (Wahlkreis Neuss I) im Online-Check

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Die SPD hat angekündigt, bis zum Wahltag an fünf Millionen Haustüren zu klingeln - und Klaus Krützen macht mit. Der Direktkandidat der SPD ist schon voll im Wahlkampf, nicht nur an Haustüren, auch an Infoständen präsentiert sich der Politiker, der stets mit seinem "Wahlkampfmobil", einem umgebauten Feuerwehrwagen, im Kreis unterwegs ist.

Zu sehen ist all das auf Facebook, wo der Sozialdemokrat seine Wahlkampf-Aktivitäten fleißig postet: "Zwei Stunden Tür-zu-Tür-Wahlkampf", meldet er tapfer aus der Gemeinde Rommerskirchen, die zu seinem Wahlkreis gehört. Das Bild einer einsamen SPD-Truppe kommentiert Krützen mit "Heute Wahlkampf auf dem Dorf: Guter Stand in Widdeshoven". Dass er da etwas zu hoch gegriffen hat, merkt er selbst: "Die Kundschaft stand hinter der Kamera", schreibt er kurze Zeit später dazu.

269 Menschen haben die Mühen des SPD-Kandidaten belohnt und bei Facebook den Button "Gefällt mir" gedrückt. Ähnlich viele sind es bei dem Grünen-Nachwuchspolitiker Lars Schellhas, der auf 188 "Likes" kommt. An die prominente Konkurrenz reicht Rot-Grün damit nicht heran: Hermann Gröhe (CDU) hat knapp 7500 Facebook-Fans. Das sind zwar immer noch längst nicht so viele wie Angela Merkel hat, die auf über 300 000 "Gefällt-mir"-Angaben kommt, aber doch genügend, um in der Region wahrgenommen zuwerden. "Was bei Gröhe auffällt, ist, dass er sich dort als Privatmann zeigt", sagt Marc Hillen. Der Inhaber der Werbeagentur H1 hat für die NGZ die Facebook-Profile der Neusser Bundestagskandidaten durchgesehen. Gröhes Profil findet er authentisch. "Zwar ist derzeit viel über den Wahlkampf zu lesen, aber der Nutzer erfährt auch, wofür sich Gröhe interessiert", sagt Hillen über den CDU-Politiker, den er als den "fleißigsten" Facebook-Nutzer identifiziert hat - Gröhe postet mehrmals täglich, allerdings weniger aus dem "Straßenwahlkampf", als vielmehr seine persönliche Meinung zu politischen Fragen und zum politischen Gegner ("die Grünen spielen sich mal wieder als Oberlehrer auf").

"Hinter jedem Facebook-Auftritt sollte eine Strategie stecken", sagt Marketingexperte Hillen, der eine solche nicht bei jedem Kandidaten erkennen kann. Etwa bei Lars Schellhas (Grüne): Der interessiert sich für die Energiewende, postet das auch fleißig auf seiner Seite. An sich lobenswert, spreche aber Jungwähler wohl kaum an. "Gerade Schellhas hätte auf Facebook die Chance, mit Jugendthemen zu punkten", sagt Hillen. Denn anders als Twitter, wo eher Multiplikatoren und Journalisten angesprochen werden, gelte Facebook als Plattform für Junge und Junggebliebene. "Sowieso müssen alle Kanäle, von der Homepage über Youtube, Facebook und Twitter, strategisch in den Blick genommen werden", sagt Hillen. Denn sonst versanden die Botschaften im Netz - lesbar für jedermann, aber niemals angeklickt.

Wie oft geklickt wird, ist für den Außenstehenden das Maß der Dinge - wohl ein Grund dafür, warum Bijan Djir-Sarai (FDP) die Angaben darüber ausgeblendet hat. Dies allerdings könnte auch nach hinten losgehen - schließlich steht das Internet für Transparenz.

Sowieso sei das Facebook-Profil von Djir-Sarai viel zu wenig persönlich, findet Hillen: kaum eigene Bilder, dafür die Gesichter anderer FDP-Promis. "Da kann man ja auch von denen Fan werden", meint Hillen.

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