Rhein-Kreis Neuss Wenn Großeltern "verstoßen" werden

Neuss · Großmütter und Großväter aus dem Kreis, die keinen Kontakt zu den Enkeln haben dürfen, können sich künftig mit anderen Betroffenen austauschen. Katharina Dargus, selbst betroffen, leitet die Treffen einer neuen Selbsthilfegruppe.

 Katharina Dargus ist selbst betroffen und hat darum die Gruppe für "verstoßene Großeltern" gegründet. Sie weiß, dass die Gründe für die Brüche in den Familien oft vielschichtig sind. Gespräche sollen Betroffenen helfen.

Katharina Dargus ist selbst betroffen und hat darum die Gruppe für "verstoßene Großeltern" gegründet. Sie weiß, dass die Gründe für die Brüche in den Familien oft vielschichtig sind. Gespräche sollen Betroffenen helfen.

Foto: L. Berns

Wenn die eigene Tochter den Kontakt zur Enkelin verbietet - die Oma ihre Enkeltochter also weder sehen, noch umarmen oder sprechen darf -, bricht für viele Großmütter eine Welt zusammen. "Es gibt viel mehr Betroffene als man denkt", sagt Katharina Dargus.

Vor zwei Jahren hat die 62-jährige Oma, die selbst auch betroffen ist, daher in Krefeld und Mönchengladbach Selbsthilfegruppen für "verstoßene Großeltern" ins Leben gerufen. "Viele sind wütend, traurig, verzweifelt und fragen nach dem warum", erklärt sie. "Um die wahren Gründe für den Bruch in der Familie herauszufinden, müssen sie weit zurückgehen, oft in ihre eigene Kindheit- was vielen schwer fällt", gibt sie zu. "Doch allein schon durch den Austausch mit anderen, denen es ähnlich ergeht, kommen viele mit ihrer eigenen Situation besser klar."

Jetzt möchte sich Dargus mit Unterstützung der Selbsthilfe-Kontaktstelle des Rhein-Kreises auch um betroffene Großeltern in Neuss, Dormagen und Grevenbroich kümmern. Die Treffen ihrer neuen Selbsthilfegruppe sollen einmal im Monat donnerstags um 16 Uhr in den Räumlichkeiten des "Paritätischen" im Meererhof stattfinden.

"Über das Kontaktverbot zu sprechen ist für viele Großeltern ein Tabu - sie schämen sich und fühlen sich schuldig", erklärt Dargus, die in Tönisvorst lebt. Ziel der Gruppentreffen sei es auch, den Großeltern zu helfen, durch das Gespräch die Trennung zu verarbeiten, und aus der Opferrolle herauszukommen.

Auch juristisch und politisch setzt sich Katharina Dargus ein für die Rechte der Großeltern und fordert Familiengerichte auf das geltende Umgangsrecht, das Großeltern theoretisch haben, auch in der Praxis anzuwenden. "Mir ist der Kontakt zu meinen drei Enkeln untersagt, obwohl ich nur 150 Meter von ihnen entfernt lebe", erzählt sie. Nach langer Krankheit und vielen Therapiestunden kann sie diese Situation heute akzeptieren.

Jetzt macht Katharina Dargus vielen anderen, denen es ähnlich geht, Mut und fordert sie auf, sich zu öffnen und zu handeln. "Es ist wichtig, dass die Großeltern rauskommen und miteinander sprechen über ihre Wut, ihre Scham und ihre Trauer. Und je mehr wir sind, desto mehr können wir auch bewegen", sagt die 62-Jährige.

"Bei den ersten Treffen in Krefeld vor zwei Jahren haben alle geweint - heute weint niemand mehr", berichtet Dargus. "Wir trinken Kaffee und jeder erzählt reihum, was es Neues in unserem Umfeld gibt - negativ wie auch positiv."

Neulich hat eine Teilnehmerin eine Karte bekommen, auf der stand, dass ihr Enkelkind getauft wird. "Sie ging in die Kirche - das war ein großer Schritt", erzählt sie.

(NGZ)
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