Wenn der schwarze Schwan auftaucht

Unvorhergesehene Ereignisse – sogenannte schwarze Schwäne – verunsichern Anleger häufig. Keine Panik, rät der Vermögensexperte Michael Stegmüller.

 Lange glaubte man in Europa, es gebe nur weiße Schwäne. Und keine Finanzkrisen oder Staatspleiten.

Lange glaubte man in Europa, es gebe nur weiße Schwäne. Und keine Finanzkrisen oder Staatspleiten.

Foto: istockphoto

Die Sonne scheint, alles sieht gut aus – und plötzlich passiert etwas, das niemand erwartet hat. Die zurückliegenden Monate haben mehr als genug deutlich gemacht, was man unter unvorhergesehenen Ereignissen zu verstehen hat. Japan stürzt durch ein gewaltiges Erdbeben in eine Krise ungeahnten Ausmaßes, im Nahen Osten ändert sich die politische Landschaft radikal.

Während diese Ereignisse die Börsen bislang erstaunlich wenig ins Schleudern brachten, sah dies 2008 anders aus. Die US-Großbank Lehman Brothers ging pleite, und die weltweiten Finanzmärkte stürzten in die schlimmste Krise seit 1929. Auch das Platzen der Internet-Blase hat zusammen mit dem Attentat auf das World Trade Center die Weltwirtschaft zu Beginn des Jahrtausends in die Krise gestürzt.

Für solche unvorhergesehenen Ereignisse gibt es das Bild des schwarzen Schwans. Das schöne Tier kann nichts dafür, als Namensgeber für oft Chaotisches herhalten zu müssen – es ist historisch bedingt. Bis ins 17. Jahrhundert glaubte man in ganz Europa, dass es nur weiße Schwäne gibt. Dann entdeckte man in Australien schwarze Schwäne, völlig überraschend. Der Buchautor, Trader und Finanzmathematiker Nassim Nicholas Taleb hat 2007 in seinem Buch "Der Schwarze Schwan" die "Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse" beschrieben. Diese Macht kennt auch Michael Stegmüller, Vorstand der performance IMC Vermögensverwaltung: Schwarze Schwäne verführen Anleger zu Fehlentscheidungen. Sie handeln panisch, verkaufen alles. Einer folgt dem anderen, und wie Lemminge stürzen sie über die Klippe. Eine gesunde Anlagestrategie sieht anders aus, betont der Vermögensexperte: "Wenn Anleger strikt zwei Prinzipien folgen, dann übersteht ihr Vermögen auch unerwartete Ereignisse: Diversifikation und Risikomanagement." Letzteres besagt als Strategie: Der Anleger muss sich vor seiner Entscheidung über sein eigenes Risikoprofil im Klaren sein. Wie der Begriff Profil sagt, geht es dabei nicht um eine glatte, einförmige Fläche. Zunächst definiert der Anleger seine Gesamt-Risikoneigung. Dieser "Ausgangspunkt für das eigene maximale Risiko" muss zuerst festgelegt werden. Dann geht es im nächsten Schritt darum, die tolerierbaren Risiken in einzelnen Anlageklassen festzulegen: Um wieviel darf zum Beispiel der Aktienanteil im Portfolio schwanken, dass dabei das Gesamt-Risikoprofil immer noch intakt bleibt? Dabei kann durchaus eine etwas riskantere Anlageklasse dazugehören, wenn sie durch eine weniger schwankende ausgeglichen wird – nur das Gesamtprofil zählt. Genau hier passieren dann die Fehler, beobachtet Stegmüller: Als zum Beispiel 2008 plötzlich die Märkte zusammenbrachen, haben sich viele Anleger komplett aus den Aktienmärkten zurückgezogen. Das Problem: Sie verwechselten kurzfristige Ausschläge mit der langfristigen Bandbreite. "Aber jede Anlage hat ihr historisch bestimmtes Risiko", sagt Stegmüller, "auf lange Sicht folgen die Märkte fast immer ihren Mustern." Die Ergebnisse seien zu 90 Prozent statistisch vordefiniert. Das heißt: Aktien rentieren sich über lange Zeiträume zum Beispiel mit acht Prozent. Kurzfristig können sie aber auch mal um 50 Prozent einbrechen. Wer dann aussteigt, durchbricht abrupt seine vorab definierte Strategie – falls er diese überhaupt festgelegt hat. Die Gefahr, damit Misserfolge zu erzielen, ist hoch, warnt der Anlageexperte. "Anleger sollten kurzfristige Verluste aushalten." Innerhalb einer Risikogruppe könne man natürlich umschichten, aber auch hier gelte: "Die Entwicklung einzelner Werte ist langfristig uninteressant."

Das zweite Prinzip, die Diversifikation, sei genauso wichtig, sagt Stegmüller. "Schon kleine Vermögen, 20 000 Euro zum Beispiel, können diversifiziert angelegt werden – mit Indexprodukten." Für größere Vermögen empfiehlt der Experte ein aktives Management. Sie können zum Beispiel bei Aktien Risiken abschwächen, indem sie Sicherungsstrategien anwenden. Diversifikation heißt hier: Durchaus mehrere Fonds mit unterschiedlichen Strategien aufnehmen – "und nicht gleich nach dem ersten schlechten Ergebnis sagen: Die Strategie funktioniert nicht", rät Stegmüller.

Risikomanagement und Diversifikation – mit diesen Strategien, strikt durchgehalten, können Anleger auch schwarzen Schwänen begegnen. Ändern sollten sie – so der Vermögensprofi – die Strategie nur, wenn sich ihre Anlageziele ändern, zum Beispiel von lang- auf kurzfristig. Aber durch unvorhergesehene Ereignisse sollten sie sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.

(NGZ)
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