Feuilleton Welt voller familiärer Abgründe

NEUSS (dB) So schön kann die Handlung eines Films in die Irre führen: Der erfolgreiche Ingenieur Robert Fabry (August Diehl) trifft im Luxushotel auf eine geheimnisvolle, vermeintliche Prostituierte (Katja Riemann) und verfällt ihr noch in derselben leidenschaftlichen Nacht.

NEUSS (dB) So schön kann die Handlung eines Films in die Irre führen: Der erfolgreiche Ingenieur Robert Fabry (August Diehl) trifft im Luxushotel auf eine geheimnisvolle, vermeintliche Prostituierte (Katja Riemann) und verfällt ihr noch in derselben leidenschaftlichen Nacht.

Fans zuckersüßer Romanzen können an dieser Stelle getrost alle Hoffnungen über Bord werfen, denn Margarethe von Trottas Melodram "Ich bin die Andere", den das Kino Hitch jetzt zum Bundesstart zeigt, hat so gar nichts mit dem seichten Märchenprinz-errettet-Aschenputtel-Klischee gemein.

Am nächsten Tag treffen beide zufällig in einer Anwaltskanzlei erneut aufeinander. Die ehemals leichte Dame im roten Lackkostüm sitzt Fabry plötzlich elegant gekleidet im Chefsessel gegenüber und scheint diesen nicht einmal wieder zu erkennen. Der mysteriösen Schönheit opfert Fabry schließlich sein wohlgeordnetes Leben und folgt ihr in eine Welt familiärer Abgründe in der nichts ist, wie es scheint, und nichts bleibt, wie es ist.

Basierend auf dem gleichnamigen Roman des verstorbenen Grimme-Preisträgers Peter Märthesheimer hat Regisseurin von Trotta einen Film geschaffen, in dem grelle, symbolhafte Bilder auf rasante Wendungen und durchaus auch auf Schockmomente treffen.

Eine ausdrucksstarke Kameraführung zeichnet den Zickzack-Kurs der beiden Hauptdarsteller von den Weinbergen des Rheingau bis hinein in zwielichtige Hafenspelunken Casablancas, die trotz prächtiger Licht- und Schattenspiele wie eine Abrechnung mit der orientalischen Romantik eines Humphrey Bogarts wirken.

In der Rolle einer Frau mit multiplen Persönlichkeiten läuft Katja Riemann erwartungsgemäß zu voller Stärke auf und überzeugt als kühl kalkulierendes Vamp ebenso wie als verstörtes Opfer ihres verbitterten Vaters (charakteristisch: Armin Mueller-Stahl). Unter dem Strich bietet "Ich bin die Andere" packendes Qualitäts-Kino "made in Germany", das ohne klebrigen Popcorn-Nachgeschmack auskommt und - trotz vorhersehbarem "Grande finale" - von Anfang bis Ende greift.

(NGZ)
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