Interview mit Andrea Cordioli Von ganz speziellem Wesen

Interview mit Andrea Cordioli · Schenken bereitet Freude. Gerade zu Weihnachten steht bei Kindern nicht selten ein Tier auf der Wunschliste ganz oben. Doch dessen Anschaffung will wohl überlegt sein. Die Tierpsychologinnen Andrea Cordioli aus Kleinenbroich und Lara Schouten aus Kaarst geben Auskunft.

 Sie kennen sich aus mit Hund, Katze und Co.: Andrea Cordioli und Lara Schouten sind Tierpsychologinnen.

Sie kennen sich aus mit Hund, Katze und Co.: Andrea Cordioli und Lara Schouten sind Tierpsychologinnen.

Foto: L. Berns

Rhein-Kreis Neuss: Nur noch wenige Tage bis zum Fest der Familie und der kleinen und großen Geschenke. Ein wuscheliger Hund oder ein weiches Kätzchen unterm Tannenbaum lässt Kinderherzen höher schlagen. Doch der Kauf eines Tieres, das Familienmitglied werden soll, muss gut überlegt und vorbereitet sein.

Niedliche, kleine Tiere in Kisten unterm Weihnachtsbaum: Die Beschenkten — meist Kinder — sind entzückt. Für die Tiere könnte dies jedoch ein Alptraum sein, oder?

Andrea Cordioli: Man muss sich darüber im Klaren sein, dass ein "lebendiges Weihnachtsgeschenk" mit Sicherheit nicht verpackt unter dem Weihnachtsbaum stehen sollte. Ein Tier ist ein lebendes Wesen mit ganz speziellen, eigenen Bedürfnissen und braucht viel Pflege, Zuwendung und Zeit, und das bis an sein Lebensende!

Wie sollte das "Tiergeschenk" zu Hause vorbereitet werden?

Cordioli: Grundsätzlich sollte man sich vor der Anschaffung eines Tieres überlegen, ob genug Platz da ist, der Vermieter zustimmt, ob ein Tier aus dem Tierheim in Frage kommt, ob man auch bei Schmuddelwetter spazieren möchte, und dass ein Katzenklo oder Nagerkäfig auch sauber gemacht werden muss. Hat man die Zeit für tägliche Streicheleinheiten? Wer pflegt das Tier bei Krankheit? Auch die zusätzlichen Kosten sind zu bedenken, ebenso, dass die Wohnung nie wieder so sauber sein wird wie ohne Tier. Ist das Kind schon alt genug, damit das Tier nicht als Spielzeug missbraucht wird?

Ist Weihnachten ein guter Zeitpunkt, ein Tier anzuschaffen?

Cordioli: Nein, Weihnachten ist der denkbar ungünstigste. Das Tier ist sofort der Weihnachtshektik und dann direkt der Silvesterknallerei ausgesetzt. Es sollte gerade in den ersten Tagen in der Familie viel Ruhe herrschen, damit das Tier sein neues Zuhause erkunden und erschnüffeln kann. Also wäre es für alle Beteiligten ratsam, ein Stofftier unter den Baum zu legen als Symbol für ein neues tierisches Familienmitglied, dass dann in aller Ruhe im neuen Jahr einziehen kann.

Hunde, Katzen, Meerschweinchen, Hamster, Kaninchen, Vögel oder Mäuse — für welches Alter (Kinder) ist welches Tier geeignet?

Lara Schouten: Alle genannten Tiere können in der Regel ohne Probleme auch mit Kleinkindern oder sogar Säuglingen — immer unter Beobachtung der Erwachsenen — gehalten werden. Wann man jedoch die Verantwortung für die Pflege eines Tieres, speziell Hund und Katze, auf ein Kind übertragen kann, hängt mit der Entwicklung und Reife des jeweiligen Kindes ab und sollte von den Eltern individuell eingeschätzt und auf jeden Fall auch begleitend beobachtet werden. Meerschweinchen und Kaninchen sind tagaktiv und schreckhaft und können schon mal vom Arm springen. Kinder unter sieben Jahren sind nicht stark genug, sie zu halten. Hamster sind auf keinen Fall für Kinder unter zwölf Jahre geeignet, da sie nachtaktiv sind und tagsüber schlafen. Mäuse sind sehr kleine und quirlige Tiere. Allein das macht es schon schwer, sie wirklich zu zähmen. Somit sind sie erst für Kinder ab 14 Jahre geeignet. Dagegen sind Ratten die idealen Kinderhaustiere, da sie reinlich, neugierig und tagaktiv sind und sich leicht zähmen lassen. Kinder können sie problemlos beim Hausaufgaben machen auf der Schulter sitzen lassen. Ratten sind bereits für Kinder ab fünf Jahre geeignet.

Was sollte man unbedingt bedenken, wenn man sich für ein Haustier entscheidet?

Cordioli: Eine artgerechte Haltung muss garantiert sein, um auch wirklich einen "tierischen Kameraden" zu bekommen. Denn sonst kann es schnell zu Verhaltensänderungen kommen, die nicht zu unterschätzen sind. Denn auch Tiere können depressiv oder aggressiv werden durch falschen Umgang und falsche Haltung. Neben der Ausstattung mit Fress- und Wassernäpfen, Körbchen oder Käfigen, Spielsachen, Leine und Futter gehört auch dazu, dass sich alle Familienmitglieder — dem Alter entsprechend — mit den Bedürfnissen und Eigenarten des jeweiligen Tieres auskennen.

Es bleibt ja nicht bei den Anschaffungskosten. In welchem Rahmen bewegen sich die Folgekosten?

Schouten: Für Hunde fällt zusätzlich zum Futter, wobei die Kosten nach Größe des Hundes stark variieren, und Tierarzt für die jährliche Impfung und Parasitenprophylaxe noch die Hundesteuer an. Bei den Kleintieren sind die Kosten geringer und dürften sich auf etwa 50 Euro pro Jahr belaufen. Ernsthafte Erkrankungen sind nicht natürlich eingeschlossen. Nicht zu vergessen sind die Haftpflicht- und eventuell sogar die Krankenversicherung.

Hunde benötigen mehrmals täglich Auslauf. Das kann schon ein bis zwei Stunden pro Tag in Anspruch nehmen. Mit welchem Zeitaufwand muss man bei den anderen Tieren rechnen?

Schouten: Mit dem täglichen Spazierengehen ist es ja auch beim Hund nicht getan. Auch die Fellpflege benötigt Zeit, ebenso das Ohrenreinigen und natürlich die Streicheleinheiten. Bei den Kleintieren fällt zwar das Gassigehen weg, aber dafür müssen Käfige und Katzenklo gereinigt werden.

Muss man mit Haustieren regelmäßig zu Routine-Untersuchungen zum Tierarzt oder erst dann, wenn sie wirklich krank sind?

Cordioli: Die jährliche Impfung für Hunde und auch für Freigänger-Katzen ist ein absolutes Muss. Dabei wird der Tierarzt den Hund sowieso untersuchen und auch vorher eine Wurmkur machen, denn erst danach sollte geimpft werden. Mit Kleintieren, die nur in der Wohnung leben, geht man in der Regel erst dann zum Tierarzt, wenn sich gesundheitliche Veränderungen zeigen.

Was ist beim Thema "Tiere und Urlaub" zu beachten?

Schouten: Hunde möchten am liebsten mitfahren. Sollte dies nicht möglich sein, dann sollte man Freunde oder Verwandte bitten, das Tier zu nehmen oder eine geeignete Tierpension oder Gastfamilie aussuchen, wo der Hund am besten vorher schon mal hin und wieder etwas Zeit verbringen kann.

Wer einige Wochen nach dem Kauf feststellt, dass Familie und Tier nicht zusammenpassen, wie sollte der handeln, um dem Tier möglichst wenig zu schaden?

Schouten: Hat man das Tier von einem guten Züchter, dann nimmt dieser es auch zurück. Vor allem sollte man sich überlegen, was nicht zusammenpasst und ob man nicht den Lebensrhythmus des Tieres mit dem des Menschen so aneinander anpassen kann, dass ein harmonisches Miteinander doch noch möglich ist. Ansonsten kann man versuchen, einen geeigneten Platz zu finden oder sollte sich an ein Tierheim oder den Tierschutzverein wenden.

Wann ist es ratsam, die Hilfe eines Tierpsychologen zu suchen ?

Cordioli: Wenn die Tiere trotz aller Vorkehrungen unerwünschtes Verhalten zeigen wie ständiges Bellen, hochspringen, nicht alleine bleiben können, Zerstörungswut, Rückrufschwierigkeiten und vieles mehr. Wir bieten auch Kinderseminare an, die den Kindern den richtigen Umgang mit ihren Tieren näher bringen, damit es nicht zu unbeabsichtigter Tierquälerei kommt.

Info www.arbeitmittieren.de oder Rufnummer 01 73 / 2 98 45 31

(RP)
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