Gerhard Polt im Rheinischen Landestheater Um Kopf und Kragen geredet

Von Dagmar Kann-Coomann Politisch korrekt, was ist das? Der bayrische Kabarettist Gerhard Polt gastierte am Dienstag im Rheinischen Landestheater und berichtete dabei von von Tragik, Komik und Durchschnittsmenschen .

Von Dagmar Kann-Coomann Politisch korrekt, was ist das? Der bayrische Kabarettist Gerhard Polt gastierte am Dienstag im Rheinischen Landestheater und berichtete dabei von von Tragik, Komik und Durchschnittsmenschen .

Tragisch soll es sein, wenn ein Nichtschwimmer ertrinkt? Genau genommen ist es doch nur konsequent, denn wer soll schon ertrinken, wenn nicht ein Nichtschwimmer? Ein Schwimmer etwa? Das wäre wohl eher tragisch. Jedenfalls ist klar, wer Schuld hat daran, dass der Nichtschwimmer ertrunken ist: Natürlich die Kommune, wenn sie einfach einen See auf ihrem Gebiet duldet, anstatt ihn zuzuschütten und einen Parkplatz draus zu machen.

Auf einem Parkplatz ist schließlich noch niemand ertrunken. Und widerlich findet der Richter, dass die Leute einfach dabei gestanden und zugeschaut haben? Aber er hat doch nicht zugeschaut, wehrt sich der Angeklagte, er sagt eben immer, man muss auch mal wegschauen können. Gerhard Polt, bayrisches Bühnenphänomen und Plauderer mit Kult-Charakter, ist ein leidenschaftlicher Sammler.

Im Schauspielhaus präsentierte er am Montag die neuesten Exemplare seiner exotischen Sammlung ganz normaler Durchschnittsmenschen, deren Besonderheit ist, dass ihnen politische Korrektheit völlig fremd ist, sie die eigene Feigheit, Arroganz und Blödigkeit nicht in weichgezupften Worthülsen verbergen, sondern sich hemmungslos um Kopf und Kragen reden.

Im ausgebeulten beigen Trachtenblazer steht er auf der Bühne, die Hände in den Hosentaschen und lässt sie reden, was sie eben denken und meinen:

Den kunstsinnigen Bayern etwa, der froh ist, nicht in Mecklenburg-Vorpommern zu leben, mit rollendem "R" und knarzendem Akzent von bayrischem Rokoko und Barock schwärmt und ganz nebenbei feststellt, dass ein Neger in die herrliche weißblaue Landschaft doch farblich gar nicht reinpasse.

Oder die Gattin, die findet, dass Kinder überhaupt aufs Land gehören und nicht in die Stadt, genau genommen gar nichts in der Stadt zu suchen haben. Also ist jener Unfall, bei dem ein Kind starb, nicht die Schuld von "unserem Vati". Und mal ehrlich: Was ist das für eine Familie, die mehr als 125 000 Euro für ein totes Kind will?

Weil, wenn ein Kind stirbt, trauert man doch. Da denkt man doch nicht ans Geld. Notorisch führt Polt seine Zuhörer aufs Glatteis, denn immer wieder reden seine Figuren erst einmal halbwegs sympathisch los, suchen und finden Zustimmung, bevor sie völlig unvermutet wegkippen und unverhohlen ihre hässlichen, dunklen Seiten entblößen, sich als wehleidige Jammerlappen, feige Rassisten oder offene Hitlerbewunderer erweisen.

Und das ist jedes Mal neu überraschend und erschreckend zugleich. Vor allem aber ist es komisch und absolut unterhaltsam, dem großen unter den deutschen Humoristen zuzuschauen, wenn er wieder einmal neue Figuren aus seiner Sammlung präsentiert, deren Umfang potentiell so unendlich ist wie die menschliche Dummheit.

(NGZ)
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