Lokalsport Zum Jubeln noch zu früh

Dank eines Vorschusses der Bayer AG an den Gesamtverein ist der Spielbetrieb des TSV Dormagen in der Handball-Bundesliga bis Saisonende gesichert. Ob es danach weitergeht, hängt von den Sponsoren ab.

 Ob Christoph Schindler und Tobias Plaz (v.l.) im Juni so jubeln können, hängt nicht allein vom sportlichen Erfolg ab.

Ob Christoph Schindler und Tobias Plaz (v.l.) im Juni so jubeln können, hängt nicht allein vom sportlichen Erfolg ab.

Foto: NGZ

Von seinen Spielern bekam Kai Wandschneider gestern zum 50. Geburtstag eine edle Kaffeemaschine geschenkt. Da wollte sich auch sein Arbeitgeber nicht lumpen lassen — er schenkte dem Handball-Lehrer die Gewissheit, dass der Spielbetrieb beim derzeitigen Tabellendrittletzten der Bundesliga gesichert ist.

Vorerst freilich nur bis zum Saisonende. Ob es nach dem 30. Juni 2010 weiterhin Erst- oder Zweitliga-Handball beim TSV Dormagen geben wird, hängt von zwei Faktoren ab: Einer "deutlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen", wie Karl-Josef Ellrich, der kommissarische Vorsitzende des Gesamtvereins, gestern nachdrücklich klar machte. Und im Zusammenhang mit einer zu diesem Zwecke zu gründenden Spielbetriebs-GmbH der Bereitschaft derjenigen Spieler, die Verträge über den 30. Juni hinaus besitzen, diese vorzeitig aufzulösen.

"Freiwillig", wie Ellrich betont. "Schließlich", sagt der 60-Jährige, der als Konzenbetriebsratsvorsitzender auch dem Aufsichtsrat der Bayer AG angehört, "wollen die möglichen Kapitalgeber bestimmen, was mit ihrem Geld geschieht." Interessenten für eine solche GmbH seien vorhanden, doch "die werden bestimmt keine bestehenden Verträge akzeptieren", ist Ellrich überzeugt.

Viel Arbeit für Thomas Dröge. Der Teammanager wird in den nächsten Tagen in Einzelgesprächen versuchen, die betroffenen Spieler — siehe Infokasten — von der Notwendigkeit eines solchen Schrittes zu überzeugen. Im "Gegengeschäft" brauchen sie keine Insolvenz, keine vorzeitige Vertragsauflösung in der laufenden Saison und "so, wie es momentan aussieht" (Ellrich) auch keinen Gehaltsverzicht zu befürchten.

Dass dies möglich wurde, hat Ellrich in zähen Verhandlungen mit seinem Arbeitgeber erreicht. Die Bayer AG, vor anderthalb Jahren aus dem Sponsoring des Profi-Handballs ausgestiegen, hilft dem TSV, seinen durch "zu optimistische Kalkulation der Werbeeinnahmen" (Ellrich) entstandenen Liquiditätsengpass zu überbrücken. Freilich weder als Sponsor noch als Wohltäter. Vielmehr leistet sie einen "Vorschuss" (TSV-Hauptgeschäftsführer Frank Neuenhausen) auf Zuschüsse, die sie dem knapp 5000 Mitglieder starken Gesamtverein in den nächsten Jahren ohnehin gezahlt hätte.

"Schließlich ist das Unternehmen immer noch der Hauptsponsor des Vereins, ohne Bayer wäre das hier alles nicht möglich", sagt der Vereinschef mit Blick auf die Infrastruktur am Höhenberg. "So schön es ist, in der Bundesliga zu spielen — das alles darf durch den Handball nicht gefährdet werden", stellt Ellrich klar, der vor zwei Monaten die Nachfolge von Dr. Bertram Anders antrat und bei der Delegiertenversammlung im Frühjahr für den ordentlichen Vorsitz kandidieren will.

Angaben über die aufgetretenen Finanzlöcher oder die Summe der von der Bayer AG überwiesenen Gelder, die "wir wieder zurückzahlen müssen" (Neuenhausen), will er "auch in Absprache mit dem Unternehmen" ebenso wenig machen wie öffentlich die Frage erörtern, wie es überhaupt zu dieser Schieflage kam: "Ich will hier keine Schlammschlacht." Klar scheint, dass der seit 1. Juli beim THW Kiel als Geschäftsführer tätige Uli Derad wohl die Einnahmenseite zu großzügig kalkuliert und aufgrund dieser Kalkulation langfristige Verträge mit bisherigen und neuen Spielern abgeschlossen hat. "Aus kaufmännischer Sicht wäre ein bisschen mehr Vorsicht angebracht gewesen", lässt Ellrich durchblicken.

Die will er nun walten lassen: "Wir können und wollen uns so ein Minus wie in dieser Saison nicht mehr leisten." Parallel zu den Gesprächen mit den Spielern sollen solche mit den Sponsoren geführt werden. "Jetzt haben wir wenigstens Klarheit", sagt Thomas Kempen, Marketingleiter bei den RheinLand-Versicherungen, deren Vertrag als Trikotsponsor noch bis Juni 2011 läuft, "jetzt müssen wir und die anderen Sponsoren sehen, was machbar ist." Zum Jubeln, findet auch er, ist es noch zu früh — zum Aufgeben freilich auch.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort