Galopp "Wir müssen diese Rennbahn hegen und pflegen"

Neuss · Vor dem letzten Renntag des Jahres in Neuss spricht Chefmanager Jan-A. Vogel über Stärken und Schwächen des deutschen Galoppsports.

 Das Alleinstellungsmerkmal: Nirgendwo sonst in Europa gibt es die Möglichkeit, Gras- und Sandbahnrennen am gleichen Ort unter Flutlicht auszutragen. Den sich daraus ergebenden Möglichkeiten ist die Neusser Galopprennbahn bisher allerdings nur unzureichend gerecht geworden.

Das Alleinstellungsmerkmal: Nirgendwo sonst in Europa gibt es die Möglichkeit, Gras- und Sandbahnrennen am gleichen Ort unter Flutlicht auszutragen. Den sich daraus ergebenden Möglichkeiten ist die Neusser Galopprennbahn bisher allerdings nur unzureichend gerecht geworden.

Foto: Klaus-Jörg Tuchel

Neuss Mit dem Renntag am Sonntag- voraussichtlicher Beginn ist um 15.45 Uhr - endet das Rennjahr 2014 auf der Neusser Galopprennbahn. Geplant sind zehn Rennen auf der Sandbahn, allerdings ist in dreien die Starterangabe noch so gering, dass wohl weniger zustande kommen dürften.

Zum Abschluss eines besonderen Jahres in der 139-jährigen Geschichte des Neusser Reiter- und Rennvereins - erstmals seit dem Umbau gab es wieder Rennen auf Gras, erstmals überhaupt gab es Grasbahnrennen unter Flutlicht - bat die NGZ Jan-Antony Vogel zum Gespräch. Der 61-Jährige ist in Personalunion Präsident des Neusser Reiter- und Rennvereins sowie hauptamtlicher Geschäftsführer des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen mit Sitz in Köln. Das Direktorium ist die oberste Verwaltungsstelle für die Zucht von Vollblutpferden und für die Galopprennen in Deutschland und hat die Aufgabe, die Vollblutzucht zu fördern und die Rennen zu beaufsichtigen. Entsprechend seiner Doppelfunktion sprach Vogel deshalb nicht nur über Gegenwart und Zukunft der Neusser Galopprennbahn, sondern nahm auch zu aktuellen Themen rund um den Galoppsport in Deutschland Stellung.

 Der Anpacker: "Ohne einen Peter Ritters würde es vermutlich gar keine Galopprennen in Neuss mehr geben", sagt der Präsident über seinen Vorstandskollegen.

Der Anpacker: "Ohne einen Peter Ritters würde es vermutlich gar keine Galopprennen in Neuss mehr geben", sagt der Präsident über seinen Vorstandskollegen.

Foto: 141021NE09z003

Herr Vogel, mit welchem Titel dürfen wir Sie anreden?

Jan-Antony Vogel: Offiziell bin ich geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen e.V., außerdem Präsident des Neusser Reiter- und Rennvereins e.V.

 Die Fragerunde: NGZ-Sportredakteur Volker Koch (r.) und Galoppexperte Klaus Göntzsche nahmen Jan-Antony Vogel in ihre Mitte.

Die Fragerunde: NGZ-Sportredakteur Volker Koch (r.) und Galoppexperte Klaus Göntzsche nahmen Jan-Antony Vogel in ihre Mitte.

Foto: A. woitschützke

Wie stark ist denn noch Ihre Bindung an Neuss?

Vogel: Ich wohne und lebe noch hier, die NGZ ist meine tägliche Morgenlektüre. Aber da ich in meiner neuen Funktion von Montag bis Freitag in Köln und an den Wochenenden fast ständig in Sachen Galopprennen unterwegs bin, fällt es zeitlich immer schwerer, Kontakte und Freundschaften zu pflegen.

Macht Ihnen denn da die Arbeit noch Spaß?

Vogel: Aber sicher. Ich fahre jeden Morgen mit Freude in mein Büro. Mein Vertrag läuft noch bis 2016, und wenn sich an dieser Einstellung bis dahin nichts geändert hat, könnte ich mir gut vorstellen, ihn noch einmal zu verlängern.

Können Sie sich denn in Ihrer Funktion ausleben. Andersherum gefragt: Wie ist es um Ihre Kompetenzen bestellt?

Vogel: Ich habe einen Arbeitgeber, das ist der Vorstand des Direktoriums beziehungsweise das von diesem eingesetzte Präsidium. Natürlich gibt dieses Präsidium die Richtung vor, aber das geschieht in einem guten Miteinander - das ist die Grundvoraussetzung für eine solche Arbeit.

Sie haben kürzlich eine positive Bilanz unter die ersten drei Grasbahn-Renntage in Neuss gezogen. Meinten Sie das wirklich so?

Vogel: Wir hatten ja vorher große Sorge, ob das Geläuf nach so langer Pause den Strapazen gewachsen ist. Und da ist alles reibungslos gelaufen.

Aber Umsatz und Besuch vor allem auf der Bahn können Sie doch nicht zufrieden stellen?

Vogel: Uns war klar, dass wir an einem Wochentag im Winter nicht mit 3000 oder 4000 Besuchern - wie an einem Sonntag rechnen können. Aber ein paar mehr als die 600 oder 700, die jeweils da waren, hatten wir uns schon erhofft. Für die Renntage im kommenden Jahr - 13 sind geplant, davon vier oder mehr auf Gras - sollten es schon irgendwo zwischen 1000 und 1500 Besucher an den Wochenrenntagen sein.

Schwierig angesichts der wechselnden Startzeiten und der äußeren Rahmenbedingungen.

Vogel: An den Startzeiten können wir nichts ändern, die werden von unseren französischen Partnern, der PMU, so vorgegeben. Und die Rahmenbedingungen sind ein Kardinalthema für uns: In der Wetthalle und im Haus am Rennbahnpark ist das Angebot gut, aber es fehlt eine vernünftige Außengastronomie. Leider ist da kein Konsens herbeizuführen, denn der derzeitige Pächter lehnt es ab, die Außengastronomie dem Rennverein zu übertragen. Vertraglich gesehen ist das sein gutes Recht, und vertraglich gesehen ist nicht der Rennverein, sondern Neuss Marketing der Partner des Gastronomen.

Weiß man dort überhaupt, dass es in Neuss eine Galopprennbahn gibt?

Vogel: Wir können uns nicht beklagen, es gibt von dieser Seite aus schon viel Unterstützung im Hintergrund. Aber man muss auch festhalten, dass Galopprennen nicht deren Steckenpferd sind. Es wäre natürlich wünschenswert, wir kämen als Rennverein irgendwann wieder dahin, dass wir nicht auf Dritte angewiesen sind, sondern die Dinge aus eigener Kraft stemmen können.

In der derzeitigen Zusammensetzung des Vorstandes dürfte das kaum zu bewerkstelligen sein.

Vogel: Lassen Sie es mich so sagen: Das Engagement beschränkt sich - wie in jedem Verein - auf einige wenige Personen. Und ohne einen Peter Ritters würde es vermutlich gar keine Galopprennen in Neuss mehr geben. Ich würde mir schon wünschen, dass das Ganze stärker begleitet und unterstützt wird.

Welche Rolle spielt denn der Rennverein überhaupt noch?

Vogel: Wir schreiben gemeinsam mit dem Dachverband die Rennen aus und tragen die Verantwortung für die Durchführung der Veranstaltung. Die Vermarktung der Rennen erfolgt über unseren Partner German Tote, wobei der Rennverein auch hier eigene Wege beschreiten kann. Der Verein hat aber hierdurch wirtschaftlich kein Veranstaltungsrisiko.

Mit anderen Worten: Mit Neuss verbindet diese Rennbahn nur noch die gemeinsame Postleitzahl.

Vogel: Sie haben Recht, die Rennbahn hat in der Neusser Bevölkerung und der Neusser Industrie nicht mehr den Stellenwert vergangener Jahre. Wenn diese Rennbahn nicht da wäre, würde man sie aber mit Sicherheit vermissen. Es ist die vordringliche Aufgabe des Vereins, diesen Rennbahnstandort in Neuss zu hegen und zu pflegen und weiterzuentwickeln. Wir haben hier eine große Verantwortung. Dies muss aber aus den Reihen des Vereins erfolgen. Hier sind wir gefordert und müssen uns auch personell verstärken, um diese Aufgabe zu bewältigen.

Geht das denn noch mit einem Präsidenten Jan-Antony Vogel in Doppelfunktion?

Vogel: Zeitlich ist das nur sehr schwer darzustellen, wenn man einen gewissen Anspruch hat. Ich bin noch bis 2015 gewählt, aber unabhängig davon brauchen wir im Vorstand Verstärkung. Es werden da auch zurzeit Gespräche geführt.

Finanziell hängen Sie immer noch am städtischen Tropf. Fürchten Sie nicht, dass diese Mittel irgendwann versiegen?

Vogel: Wir erhalten nach wie vor einen städtischen Zuschuss in Höhe der Zins- und Tilgungslasten für das Darlehen aus dem Bau der Sandbahn und Flutlichtanlage. Ich gehe davon aus, dass diese Gelder so lange gesichert sind, wie der Rennverein den Rennbetrieb aufrechterhält. Auf der anderen Seite zahlen wir aber auch hohe Beträge an Neuss Marketing für die Nutzung des Geländes, was in einer Art Gegengeschäft passiert, indem wir für die Pflege und Instandhaltung aufkommen - und das kostet schon einiges. Außerdem leiden wir wie alle Rennvereine in NRW darunter, dass uns die Mittel fehlen, die wir bis vor einem Jahr aus dem Spiel 77 erhalten haben - das sind gut 100 000 Euro pro Jahr. Die Zusage des Gesetzgebers, den Rennvereinen ab 1. Juli 2013 die Rennwettsteuer der Buchmacher auf inländische Veranstaltungen in Höhe von bis zu 96 Prozent zurückzuerstatten, wurde leider bisher nicht umgesetzt, obwohl ein gesetzlicher Anspruch besteht.

Wie gut, dass es die PMU gibt.

Vogel: Sie sagen es. Ohne die Partnerschaft mit dem französischen Wettanbieter würde es die Winterrennen nicht mehr geben. In Frankreich werden erhebliche Wettumsätze auf die deutschen Veranstaltungen getätigt, so dass aus den Erträgen die Rennpreise und Züchterprämien in Höhe von ca. 60 000 Euro pro Rennveranstaltung vollständig refinanziert werden können. Die weiteren Einnahmen decken die verbleibenden Veranstaltungskosten ab, so dass der Verein bei der Durchführung der Veranstaltung kein wirtschaftliches Risiko eingehen muss.

Jetzt will die PMU bei German Tote einsteigen. Wie kommt es zu dieser Konstellation?

Vogel: Die Zusammenarbeit mit den Franzosen läuft ja schon länger, im nächsten Jahr stehen deutschlandweit 51 Renntage mit PMU-Unterstützung im Kalender. Und weil eines der Geschäftsfelder von German Tote die Vermittlung von Wetten in den französischen Totalisator ist, bietet sich eine intensivere Zusammenarbeit an. Die Gespräche sind jedenfalls schon sehr weit fortgeschritten. Und dass German Tote eine der wesentlichen Finanzierungsquellen des deutschen Rennsports ist, brauche ich nicht eigens zu betonen.

Wird damit auch das Problem behoben, dass die PMU und German Tote auf die gleichen Rennen unterschiedliche Quoten auszahlen?

Vogel: Das ist in der Tat ein Problem. Da die französischen Quoten zum Teil höher sind, nutzen deutsche Wetter das Angebot im Internet, um ihre Wetten direkt in Frankreich zu platzieren. Wir führen darüber Gespräche, deren Ziel es sein muss, gemeinsam mit den Franzosen einen Pool zu bilden.

Wenn wir über die Zukunft des Galoppsports in Deutschland sprechen, wird es eine solche in Frankfurt nicht mehr geben. Oder rechnen Sie damit, dass das angestrebte Bürgerbegehren gegen den Verkauf des Rennbahngeländes an den Deutschen Fußball- Bund (DFB) erfolgreich sein wird?

Vogel: Frankfurt ist ein Thema, das uns sehr bedrückt. Die dortige Bahn war ein wichtiges Bindeglied zwischen den Bahnen in NRW und denen in Süddeutschland. Die moderne Infrastruktur der Bahn lässt Rennen auf internationalem Niveau zu. Ein Verlust dieser Rennbahn in Hessen würde eine nicht zu schließende Lücke im deutschen Rennsport bedeuten. Ich kann Verständnis für die Entscheidung der Stadt Frankfurt aufbringen, Teile des Geländes dem DFB zur Verfügung zu stellen. Dies muss aber nicht bedeuten, dass auf dem Gelände nicht weiterhin Galopprennen durchgeführt werden können. Der Erfolg des Bürgerbegehrens macht deutlich, dass die Frankfurter Bürger nicht hinter der Entscheidung der Verwaltung stehen. Es bleibt abzuwarten, ob die Stadt Frankfurt weiterhin den Willen der Bürger ignoriert oder nicht doch beginnt, über eine gemeinsame Lösung mit dem Rennsport nachzudenken. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir nicht über 20 Renntage pro Jahr wie früher sondern nur noch über sieben oder acht reden. Leider lassen Planentwürfe des DFB kein Miteinander von Fußball-Kompetenzzentrum und Galopprennen zu. Auch hier hätte man sich mehr Kooperationsbereitschaft auf Seiten des DFB gewünscht.

Fürchten Sie eine Signalwirkung dahingehend, dass jetzt auch andere Städte auf die Idee kommen, ihr Rennbahngelände gewinnbringend zu verscherbeln?

Vogel: Ich glaube, Frankfurt und der DFB sind eine Ausnahmesituation. Ich sehe derzeit keine andere Bahn, wo eine solche Gefahr besteht. Ein großer Teil der Rennbahnen ist in den Kommunen sehr stark verwurzelt und in keiner Weise in Frage gestellt. In Neuss käme eine Bebauung allein schon deshalb nicht in Frage, weil das Rennbahngelände das Herzstück unseres Schützenfestes ist. Deshalb wird es die Bahn weiter geben, und deshalb müssen wir sehen, dass wir sie voranbringen.

(NGZ)
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