2. Basketball-Bundesliga Alles richtig gemacht – trotzdem in Not

Neuss · Die TG Neuss hatte vor der Saison die Basis für eine sorgenfreie und gleichwohl auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Saison in der 2. Basketball-Bundesliga gelegt. Doch weil ihr plötzlich das Personal wegbricht, gerät der Erfolg der klugen Politik allmählich in Gefahr.

Die talentierte Marija Ilic (r.) kommt bei den Neuss Tigers mit ihren 15 Jahren nicht nur in der U18-Bundesliga, sondern auch bei den Zweitliga-Damen zum Einsatz.

Die talentierte Marija Ilic (r.) kommt bei den Neuss Tigers mit ihren 15 Jahren nicht nur in der U18-Bundesliga, sondern auch bei den Zweitliga-Damen zum Einsatz.

Foto: Andreas Woitschützke

Eigentlich hatte die Sportliche Leitung des Basketball-Zweitligisten TG Neuss Tigers um Trainer Rufin Kendall und Abteilungsleiterin Angela Krings vor der laufenden Saison 2022/2023 einen tollen Job gemacht und eine Mannschaft mit Erfahrung und Perspektive zusammengestellt. Darum ist es doppelt schade, dass der Liga-Dino, der seit dem Aufstieg 2010 zum festen Ensemble im Norden zählt, zu Beginn der Rückrunde nur noch zwei Pünktchen von einem direkten Abstiegsplatz entfernt liegt. Eine Bestandsaufnahme:

Ein kurzer Blick zurück Nach von drei Play-off-Teilnahmen gekrönten Jahren, in denen die Tigers, so Kendall, auch davon profitierten, dass unter Trainerin Janina Pils ehemalige Erstliga-Spielerinnen wie Jana Heinrich und Franziska Worthmann treu zum Verein standen, verpassten sie es ab 2018 unter den Trainern Antoine Braibant und John F. Bruhnke, den dringend benötigten Umbruch einzuleiten. Als die erfahrene Garde nach der Spielzeit 2020/2021 dann endgültig abtrat, war Kendall gezwungen, binnen weniger Wochen ein komplett neues Team aus dem Boden zu stampfen. Das gelang ihm zwar, doch die von ihm eigentlich angestrebte Nachhaltigkeit blieb dabei zwangsläufig auf der Strecke.

Die Renaissance In seiner zweiten Saison in Neuss machte der Coach sein Versprechen wahr, kehrte mit den Tigers, die mit Spielerinnen wie Karo Tzokov, Paulina Sobieszuk oder auch Sera Asuamah-Kofoh ursprünglich mal eine erstklassige Adresse für Toptalente waren, zu den Wurzeln zurück. Der im Verein auch schon für den Nachwuchs (WNBL) tätige Coach überzeugte Ricarda Schott (17), Ana Behnke (23), Leonie Oost (19) und Larissa Felten (21) von einer Rückkehr zur Turngemeinde, holte kurz darauf sogar die am College in den USA unzufriedene Linda Brückner (20) in sein runderneuertes Team. Mit Blick auf die wie Ricarda Schott zusätzlich auch bei den Junior Tigers in der U18-Bundesliga eingesetzten Nationalspielerinnen Marija Ilic (15) und Johanna Huppertz (16) sieht Angela Krings zudem die lange vergeblich angestrebte Durchlässigkeit vom eigenen Nachwuchs zu den Bundesliga-Damen tatsächlich gegeben.

 Tigers-Coach Rufin Kendall sagt seiner jungen Aufbauspielerin Iva Banozic, was er von ihr erwartet.

Tigers-Coach Rufin Kendall sagt seiner jungen Aufbauspielerin Iva Banozic, was er von ihr erwartet.

Foto: Wolfgang Rommerskirchen

Erfahrung Für die nötige Stabilität sollten erfahrene Kräfte Inga Krings (27), Priscilla Waterloh (29) und Jana Meyer (31) sowie Iva Banozic (23) und Luca Raschke (20) vom Erstliga-Absteiger Capitol Bascats Düsseldorf sorgen. Ein echter Glücksgriff war auch die Verpflichtung der erst 22-jährigen Kim Franze vom Liga-Konkurrenten AstroLadies Bochum. Und weil Vorsicht die Mutter der Porzellankiste ist, sicherte sich die Turngemeinde die Dienste der Profis Megan Swords (USA) und Brooklynn McAlear-Fanus (Kanada).

Erzielt im Schnitt knapp zwölf Punkte für ihre Mannschaft: Linda Brückner (r.)

Erzielt im Schnitt knapp zwölf Punkte für ihre Mannschaft: Linda Brückner (r.)

Foto: Wolfgang Rommerskirchen

Das Problem Ausgerechnet mit dem wohl besten Spiel in dieser Saison, der unglücklichen 71:72-Niederlage am fünften Spieltag gegen den ungeschlagen angereisten Spitzenreiter aus Bochum, begannen die Probleme: Brooklynn McAlear-Fanus verletzte sich am Fuß, war danach nur noch ein Schatten ihrer selbst und verabschiedete sich kurz vor Weihnachten. Eine Woche später in Grünberg erwischte es Megan Swords, die seither kein Spiel mehr gemacht hat und bei der mittlerweile mehr als zweifelhaft ist, ob sie noch einmal nach Neuss zurückkehrt. Plan B ist jedenfalls schon in Arbeit. Zu allem Überfluss verzögert sich der Einsatz der für McAlear-Fanus verpflichteten US-Amerikanerin Danie Shafer.

Das sagt der Trainer Obwohl die personelle Lage durch die schmerzlichen Ausfälle von Priscilla Waterloh, Luca Raschke, Larissa Felten und Jana Meyer prekär ist, nimmt Kendall das Wort Abstieg nicht in den Mund. „Daran denke ich nicht, aber auch keine der Spielerinnen“, sagt er. Er hat vielmehr die Zukunft im Sinn, legt sein Wirken auf Nachhaltigkeit aus. Dass das Personal aus Übersee auch in anderen Vereinen für Stirnrunzeln sorgt, bestätigt ihn nur in seinem Plan, noch mehr auf junge Kräfte aus eigener Produktion zu setzen. „Nur so geht es.“ Darum sind Schnellschüsse zur Rettung der eigenen Haut von ihm nicht zu erwarten. „Ich arbeite daran, dass die TG auf Spielerinnen bauen kann, die sich mit dem Verein identifizieren – auch noch in fünf oder sechs, wenn ich hier nicht mehr Trainer bin ...“

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