Handball Vor einer ungewissen Zukunft

Handball · Wer 2012 im Rheinland mit Handball seinen Lebensunterhalt bestreitet, dem geht es zur Zeit wie den Mitarbeitern bei Schlecker: Keiner weiß, wie es weitergeht. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hat noch kein Akteur aus der Konkursmasse von DHC Rheinland und HSG Düsseldorf einen neuen Arbeitgeber gefunden.

 Gute Ansätze beim Zweitliga-Heimdebüt: Max-Henri Herrmann.

Gute Ansätze beim Zweitliga-Heimdebüt: Max-Henri Herrmann.

Foto: HJZ

Und auch aus den Reihen des zwar nicht insolventen, gleichwohl zu einem rigorosen Sparkurs gezwungenen TV Korschenbroich gibt es momentan keine Vollzugsmeldungen — weder was Verbleib noch was einen Wechsel betrifft. Allein TVK-Trainer Christian Voß, der zur neuen Saison beim Drittligisten HSG Tarp-Wanderup anheuert, besitzt bislang Planungssicherheit.

Dagegen spielt der Handball in den Lebensplanungen seines Dormagener Kollegen nur noch eine untergeordnete Rolle. Richard Ratka will sich erst einmal auf seine Arbeit als Computerspezialist konzentrieren. "Ich bin aber offen für Angebote aus der Region, auch aus der Dritten Liga", sagt der in Mettmann lebende, 48 Jahre alte Ex-Nationalspieler, "es muss aber ein ambitioniertes und seriöses Projekt sein". Was sich, so scheint es, zur Zeit gegenseitig ausschließt — zumindest im Rheinland. Doch auch anderswo backen die Klubs zunehmend kleinere Brötchen. Die durch die Einführung der eingleisigen Zweiten Liga angestrebte "Professionalisierung" scheint sich in ihr Gegenteil zu verkehren.

"Rückblickend war die WM 2007 im Nachhinein Gift für unseren Sport. Viele Vereine, Berater und Spieler haben mit dem Titel den Sinn für die Realität verloren", sagt dazu Olaf Mast, langjähriger Bundesligaspieler, Ex-Trainer des TV Korschenbroich und seit November auf der Bank des Drittligisten Bayer Uerdingen.

Für den 43-Jährigen ist das niederrheinische Handball-Dilemma nur die Spitze des Eisbergs: "Ich glaube, dass der Niederrhein bei Weitem nicht die einzige gefährdete Region ist. Es gibt genügend Vereine in der Republik, deren Existenz ebenfalls am seidenen Faden hängt und die täglich um ihr Überleben kämpfen. Der Handball hat generell die Spirale überzogen" (Interview mit handball-world.com vom 30. März). Betroffen sind vor allem Spieler mit lokalen Wurzeln. Während die "Legionäre" über ihre Berater meist irgendwo unterkommen, hängen sie in der Luft.

"Wie es bei mir weitergeht, weiß ich noch nicht", sagt Max-Henri Herrmann, Torhüter des A-Jugend-Bundesligisten TSV Bayer Dormagen und der französischen Jugend-Nationalmannschaft. Der 19-Jährige, der am Sportinternat in Knechtsteden kurz vor dem Abitur steht, zeigte am Mittwoch bei der 30:36-Niederlage des DHC Rheinland gegen den ThSV Eisenach in seinem ersten 60-minütigen Zweitliga-Einsatz gute Ansätze, auch wenn er hinterher sagte: "Ich hätte mir schon ein anderes Ergebnis gewünscht. Doch das Tempo und die Härte der Würfe sind ganz anders."

Um sich daran zu gewöhnen, brauchen Herrmann und Co. Spielpraxis und Geduld — doch genau an dieser Anschlussförderung hapert es in Deutschland. Die Ausdünnung der Handball-Landschaft ist da wenig hilfreich. "In den aktuell stürmischen Zeiten sollte jeder Spieler seine berufliche Zukunft intensiv verfolgen und den Markt erst einmal beruhigen lassen", rät Bankkaufmann Mast.

(NGZ/rl/ila)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort