Kanu Von Tokio nach Minkel

Holzheim · Vor 50 Jahren bereiteten die Holzheimer ihren Olympiasiegerinnen einen grandiosen Empfang, gestern schwelgten sie in Erinnerungen.

 50 Jahre nach Olympiagold: Annemarie Zimmermann (l.) und Roswitha Esser mit dem Vorsitzenden der Holzheimer SG Helmut Schmitz.

50 Jahre nach Olympiagold: Annemarie Zimmermann (l.) und Roswitha Esser mit dem Vorsitzenden der Holzheimer SG Helmut Schmitz.

Foto: A. Woitschützke

Von Holzheim bis Tokio sind es 9350 Kilometer, vom Bootshaus in Minkel bis zum Sagami-See noch ein paar mehr. Gestern lag das alles nur einen Paddelschlag voneinander entfernt, denn ihren traditionellen Vereinstag hatte die Holzheimer Sportgemeinschaft (HSG) ganz den Olympischen Spielen in der japanischen Metropole gewidmet. Kein Wunder, ist es doch genau ein halbes Jahrhundert her, dass Annemarie Zimmermann und Roswitha Esser auf dem See vor den Toren Tokios ihr Zweier-Kajak zu olympischen Gold steuerten. "Auf der Außenbahn in einem Rennen ganz für sich allein", wie Herbert Schmitt in seiner live ausgestrahlten Radioreportage an jenem 22. Oktober 1964 den Hörern in Deutschland mitteilte.

Vor allem denen in Holzheim. Die hatten Glück, denn es war die erste Live-Sendung nach achttägiger Pause, in der das Unterwasserkabel von Japan nach Europa repariert werden musste. Ähnliche Schwierigkeiten hatte Hans-Josef Otten, eine Aufzeichnung der Sendung ausfindig zu machen und noch größere, die Freigabe für eine "einmalige Ausstrahlung" gestern Mittag im Bootshaus in Minkel zu erhalten. Wo auch Annemarie Zimmermann und Roswitha Esser fasziniert lauschten. "Das höre ich zum ersten Mal", sagt Annemarie Zimmermann. Die 74-Jährige sitzt genau wie ihre ein Jahr jüngere Kajak-Partnerin inmitten der großen Holzheimer Kanu-Familie.

"Von unseren über 100 Deutschen Meistertiteln sind heute 46 hier versammelt", rechnet HSG-Vorsitzender Helmut Schmitz nicht ohne berechtigten Stolz vor. Der älteste - Hans Bach 1947 - ist ebenso gekommen wie Robin Heineke, der im Sommer Deutscher Jugendmeister im Vierer wurde. Selbst Robert Gleinert, die Olympiahoffnung für Rio 2016, ist aus seiner Wahlheimat Berlin angereist. "Wenn die Erinnerungen an unsere Erfolge Ansporn für die jungen Leute sind, dann ist es gut, wenn sie wachgehalten werden", sagt Annemarie Zimmermann. Die ansonsten ebenso wie Roswitha Esser kein großes Aufheben um ihre zwei Olympiasiege macht: "Zu solchen besonderen Anlässen wie heute ist es schön, sich noch mal damit zu beschäftigen", sagen beide, "aber damit muss es auch gut sein." Roswitha Esser freut sich, "dass es uns vergönnt ist, das Jubiläum überhaupt zu erleben - längst nicht alle Kanu-Kameraden von damals weilen noch unter den Lebenden." Nach gesundheitlichen Rückschlägen geht es dem Holzheimer Goldduo inzwischen wieder "so gut, wie es unser Alter zulässt", sagt Annemarie Zimmermann.

Dass die HSG noch einmal Olympiateilnehmer, gar -sieger hervorbringen könnte, bezweifelt Helmut Schmitz: "Dafür reichen unsere finanziellen Mittel nicht aus." Doch es ist nicht das Geld allein, "wir tun uns hier auch schwer, den Spitzensportlern solche Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, wie sie sie anderswo bekommen." Vor einem halben Jahrhundert sah die Sportwelt noch ein wenig anders aus: Für ihren Olympiasieg, hat Schmitz recherchiert, war Zimmermann/Esser von einer Brauerei ein "großes Fass Bier" versprochen worden. "Hab' ich nie bekommen", sagt Annemarie Zimmermann. Aus gutem Grund - die Annahme dieses Geschenks hätte gegen das damalige Amateurstatus verstoßen. Leergetrunken haben es die nicht-olympischen Holzheimer trotzdem.

(NGZ)
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