Fußball VfR ist am Tiefpunkt angekommen

Fußball · Wirtschaftlich hat Reinhard Josef Wendt den Verein für Rasensport 06 dank des erfolgreich abgeschlossenen Insolvenzverfahrens zunächst einmal saniert. Doch nicht erst das unrühmliche Auftreten am Donnerstagabend in Jüchen lässt am Sinn des ganzen Unternehmens zweifeln.

Irgendwann ist überall ein Tiefpunkt erreicht, glaubt man. Doch die Geschichte des VfR 06 Neuss lehrt, dass es offensichtlich immer noch tiefer geht. Dass eine Erstvertretung des sich selbst so gern als "Traditionsklub" titulierenden Vereins für Rasensport nach einem 0:10-Halbzeitrückstand zum zweiten Durchgang eines Meisterschaftsspiels einfach nicht mehr antritt, das dürfte es selbst in der überaus turbulenten Vereinshistorie noch nicht gegeben haben.

Weil sich das Ganze in der Bezirksliga, mithin der achthöchsten (oder viertniedrigsten) Spielklasse zutrug, könnte man darüber zur Tagesordnung übergehen. Das Geschehen von Donnerstagabend wirft freilich die Frage nach der Sinnhaftigkeit dessen auf, was sich in der jüngsten und jüngeren Vergangenheit rund um den Sportplatz am Derendorfweg getan hat.

Eine Frage, die sich schon länger stellt. Kein Verein, zumindest keiner im Rhein-Kreis, hat in den zurückliegenden Jahrzehnten so viele Schwadroneure und Hasardeure angelockt wie der VfR 06. Kein Verein hat so viele Menschen in den Ruin getrieben — Mittelständler, die ihr Unternehmen verloren haben, weil sie glaubten, sich mit einem Vorstandsamt bei den Grün-Weißen Geltung verschaffen zu können, Fußballverrückte, die ihr sauer Erspartes opferten, damit an der Hammer Landstraße mehr oder minder (meistens minder) erfolgreich gekickt werden konnte.

Dies ist die Tradition, die wirklich nicht stirbt beim VfR 06. Es gibt Nachkommen von VfR-Granden aus den mittlerweile so verklärten "goldenen Zeiten", die einem hinter vorgehaltener Hand erzählen, dass sie erst bei der Sichtung des Nachlasses entdeckt hätten, wie viel Geld aus dem Familenvermögen in grün-weiße Kassen geflossen sei — genug, um damit mehr als ein Einfamilienhaus zu errichten.

Reinhard Josef Wendt mag durchaus zu keiner der Kategorien gehören. Der aktuelle Präsident des VfR 06 hat unendlich viel Zeit und unendlich viel Mühe darein gesteckt, den Verein für Rasensport am Leben zu erhalten. Wirtschaftlich scheint ihm das dank des erfolgreich abgeschlossenen Insolvenzverfahrens vorerst gelungen zu sein, auch wenn die wahren finanziellen Opfer jene Gläubiger vollbracht haben, die auf den allergrößten Teil ihrer Ansprüche verzichtet haben. Nun kann in unserer demokratischen Gesellschaft jeder seine Zeit und seine Mühe einsetzen, wonach ihm der Sinn steht.

Doch Reinhard Josef Wendt muss sich fragen lassen, ob es kein sinnvolleres und dankbareres Objekt für solche Bemühungen gegeben hätte — auch und gerade im Sport — als den VfR. Denn auch Reinhard Josef Wendt wird scheitern, weil er ähnlich wie sein Vorgänger Josef Kokesch nicht erkennen will, dass ein "Neuaufbau" nur von ganz unten möglich ist. Selbst die Bezirksliga ist, nicht nur sportlich, noch zu hoch für ein solches Unterfangen. Das um so mehr, wenn jemand vom Fußball und dessen Gesetzmäßigkeiten (vor allem denen außerhalb des Sportplatzes) so wenig Ahnung hat wie der aktuelle Präsident.

Angesichts von 16 Fußball-spielenden Vereinen in Neuss, von denen ganze drei in Ligen oberhalb der Kreisebene angesiedelt sind, stellt sich die Frage nach dem Sinn einer solchen Rettungsaktion ohnehin. Besonders dann, wenn der "Gerettete" anschließend in einer Rolle irgendwo zwischen Lachnummer und Skandalnudel durch den Bezirk tingelt. Der unrühmliche Auftritt von Donnerstagabend in Jüchen markiert den Tiefpunkt. Doch weil es sich um den VfR 06 handelt, darf man getrost anfügen: den vorläufigen.

(NGZ)
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