Entlassener Geschäftsführer erhebt Vorwürfe gegen TG Neuss "Veränderungen waren nicht erwünscht"

Seinen Schreibtisch in der Geschäftsstelle an der Schorlemerstraße hat er nach nicht einmal sechs Monaten zwangsweise geräumt. Doch abgeschlossen ist das Kapitel Turngemeinde Neuss für Alexandros Lillis damit noch lange nicht. Der 37-Jährige will sich mit der vor anderthalb Wochen ausgesprochenen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses als Hauptgeschäftsführer des größten, rund 4.600 Mitglieder starken Neusser Sportvereins nicht abfinden.

Lillis will nicht nur gegen die in seinen Augen "nicht berechtigte, grundlose Kündigung" rechtliche Mittel einlegen, er hat sich mit einem "offenen Brief" auch an die Öffentlichkeit gewandt, in dem er massive Vorwürfe gegen den TG-Vorstand erhebt: "Anstatt dem Mann, mit dem man Veränderungen plante, den Rücken zu stärken, hat man ihn fallen lassen wie eine heiße Kartoffel." Dies sei für ihn ein "klägliches Versagen des Vorstandes." Der möchte sich zu den Vorwürfen nicht weiter äußern: "Das sind Personalangelegenheiten, und die gehören nicht in die Öffentlichkeit", erklärte TG-Vorsitzender Karlheinz Irnich auf Anfrage der NGZ, "das haben wir im Vorstand auch so verabredet".

Zu einer Aussage lässt sich der vor einem halben Jahr zum Vorsitzenden gewählte Neusser Steuerberater und ehemalige Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion dann doch hinreißen: "Es ist nicht klug, mit persönlichen Dingen an die Öffentlichkeit zu gehen. Herr Lillis schadet damit sich und anderen." - Der Betroffene sieht das anders: Sein Brief sei nicht dazu da, "schmutzige Wäsche zu waschen, sondern um die Wahrheit ans Tageslicht zu stellen."

Lillis sieht sich als Opfer mangelnder Unterstützung: "Ich erlebte vom ersten Arbeitstag an die Ablehnung meiner Person in diesem Amt. Sowohl von einigen Vorstandsmitgliedern, von Teilen der Mitarbeiter der Geschäftsstelle, aber auch von einigen Abteilungsleitern, die versucht hatten, Einfluss auf die Auswahl des Hauptgeschäftsführers auszuüben, um einen internen, ihnen zugeneigten Kandidaten durchzuboxen." Gemeint ist wohl in erster Linie die Tischtennis-Abteilung, deren Pressewart Klaus Wahlen auf der Mitgliederversammlung am 26. März heftige Kritik an der Kandidatenauswahl geübt hatte - wobei die Frage offen blieb, ob er zwar Lillis traf, aber Irnich meinte.

Tatsächlich hatte sich Lillis gegen mehr als sechzig Mitbewerber durchgesetzt, vier von ihnen wurden in einem Darmstädter Assessment-Center einem ganztägigen Einstufungstest unterzogen. Lillis, zuvor Hauptgeschäftsführer beim MTV Treubund Lüneburg, ging aus dem Auswahlverfahren, dessen Kosten Insider mit 70- bis 80.000 Mark angeben, als Punktbester hervor. Pikanterweise gehörte mit Klaus Ehren auch ein langjähriger Mitarbeiter der TG-Geschäftsstelle zu den vier Kandidaten, der schon zu Amtszeiten von Friedhelm Meuter deutliche Ambitionen auf dessen Nachfolge hatte erkennen lassen.

Ehren sollte fortan unter Lillis weiter arbeiten - eine Konstellation, die offensichtlich nicht funktionierte: "Dass er jetzt als mein Nachfolger installiert wird und nun beginnt, meine Ideen umzusetzen", empfindet Lillis als "besonders pikant". Laut Irnich, der sich noch im August schützend vor Lillis gestellt hatte, als die Tischtennisabteilung massive Kritik an einem Sponsorenbrief aus der Feder des neuen Hauptgeschäftsführers geäußert hatte, soll Ehren zunächst nur als "Leiter der Geschäftsstelle", nicht als Hauptgeschäftsführer fungieren. Gleichwohl sei man dabei, nach "einer personellen Verstärkung der Geschäftsstelle Ausschau" zu halten, die dann wohl Ehrens bisherige Aufgaben übernimmt. Was darauf hindeutet, dass dessen "Probezeit" nur pro forma eingerichtet wurde.

Mag sein, dass Ehren ohnehin der richtige Mann für die Meuter-Nachfolge gewesen wäre. Dann muss sich der TG-Vorstand jedoch fragen lassen, warum er nicht gleich auf dieses Pferd setzte - und sich Kosten und viel Ärger ersparte? Für Lillis liegen die Ursachen jedoch tiefer: Er habe sich mit neuen Ideen, die er in Lüneburg erfolgreich umgesetzt habe (Umbau der Geschäftsstelle zu einem modernen Dienstleistungszentrum, mitgliederorientiertes Verhalten der Mitarbeiter, starke Erweiterung des Sportangebotes) nicht durchsetzen können, weil "interne Strömungen dies verhindern wollten. Sie hatten sich in den letzten Jahren ihr Umfeld so geschaffen, wie es für sie am bequemsten war. Veränderungen hätten den Status quo mit einer schlechten Organisation, mangelnder Öffnung nach außen und einer schwachen Führung ins Wanken gebracht - und dies wollte man nicht."

Vorwürfe, die langjährigen Beobachtern der Turngemeinde nicht unbegründet erscheinen. Schließlich hat die Geschäftsstelle über Jahre hinweg ein Eigenleben geführt, sind an der Schorlemerstraße die Entscheidungen getroffen worden und nicht auf den Vorstandssitzungen. Karlheinz Irnich hatte versucht, das Schwergewicht mehr auf Seiten des Vorsitzenden zu ziehen - und dabei voll auf die Karte Lillis gesetzt. Der Mann seines Vertrauens ist gescheitert, sicher auch an eigenen Schwächen im zwischenmenschlich-kommunikativen Bereich, aber auch an den Strukturen innerhalb des Vereins. Irnich, ohnehin nur mit hauchdünner Mehrheit (54 Ja-, 27 Gegenstimmen, 23 Enthaltungen) gewählt, hat mit dessen Kündigung einen Gesichtsverlust hinnehmen müssen. Droht ihm nun nach dem Fraktionsvorsitz eine weitere Machtposition verloren zu gehen? Viel wichtiger aber erscheint die Frage: Wohin driftet die TG - ist der Großverein überhaupt noch regierbar? Volker Koch

(NGZ)
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