Sportgeschichten (88) US Open-Sieger in Neuss ausgemustert

Neuss · Stanislaw Wawrinka spielte nur ein Mal für den TC Blau-Weiss Neuss in der Tennis-Bundesliga - und das grottenschlecht.

Neuss Elu Hansmann, der vor zwei Jahren verstorbene "Macher" hinter den Tennis-Erfolgen des TC Blau-Weiss Neuss, hatte ein gutes Auge für das, was auf dem Platz vor sich ging. Und ein gutes Näschen für Talente - Rafael Nadal schlug für den Rekordmeister in der Bundesliga auf, als den jungen Mann mit der Prinz-Eisenherz-Frisur selbst in seiner spanischen Heimat kaum einer kannte.

Nur bei Stanislas Wawrinka lag er vollkommen daneben. "Der Junge macht alles selbst - die Punkte für sich und für den Gegner", urteilte Hansmann nach dem ersten Auftritt des damals 19 Jahre alten Schweizers für Blau-Weiss Neuss. Das war am 25. Juli 2004, die Neusser gastierten beim gerade in die Bundesliga aufgestiegenen TK Kurhaus Aachen. Damals wurden noch sechs Einzel und drei Doppel gespielt - und Wawrinka hätte an Position drei die Gäste beinahe uneinholbar mit 4:0 in Führung bringen können.

Potito Starace, Vincenzo Santopadre und Tomas Tenconi, das italienische Trio der Quirinusstädter, hatte vorgelegt, Bundesliga-Debütant Wawrinka sollte nachziehen. Gegen Alessio di Mauro hatte er auch die Chance dazu: Nach 4:6 und 6:2 lag er im dritten Satz (der damals noch zur Gänze gespielt wurde) bereits 5:2 und 40:30 in Front - und vergab den Matchball ebenso wie wenig später beim Stande von 5:4 und 40:0 drei weitere. Di Mauro gewann mit 7:6 - Aachen am Ende mit 5:4, weil Stanislas Wawrinka auch im Doppel an der Seite von Oscar Hernandez beim 4:6, 6:7 gegen die Ex-Neusser Martin Vassallo und Santiago Ventura die entscheidenden Punkte nicht machte. "Er hat gute Veranlagungen, aber er muss noch lernen, die sicheren Bälle zu spielen", beurteilte der damalige Cheftrainer Marc Raffel die Leistungen des 19-Jährigen.

Dessen Eindruck war so nachhaltig, dass die Neusser Stanislas Wawrinka nie wieder einsetzten. Nicht in seiner Premierensaison, in der sie sich in zwei Abstiegsendspielen gegen den TC Bamberg (7:2, 3:6) zum Klassenerhalt zitterten. Noch im darauffolgenden Jahr, in dem der inzwischen bereits fest im Tenniszirkus etablierte Schweizer an Position zwei gemeldet wurde - Spitzenspieler war damals ein gewisser Philipp Kohlschreiber.

Nun: Auch "Tennispäpste" können sich irren. Am Sonntag krönte Stanislaw Wawrinka seine Karriere mit dem Sieg bei den US-Open. Das 6:7, 6:4, 7:5 und 6:3 über den Weltranglistenersten Novak Djokovic bescherte ihm seinen dritten Grand-Slam-Titel nach den Siegen bei den Australian Open 2014 und den French Open 2015. Ob der inzwischen 31-Jährige sich noch an seinen Auftritt auf dem Aschenplatz im Aachener Kurpark erinnert, ist nicht bekannt.

(NGZ)
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