Handball Der erste Zweitliga-Sieg nach 876 Tagen

Gießen · Aufsteiger TSV Bayer Dormagen setzt sich glücklich, aber vollauf verdient mit 30:29 bei Erstliga-Absteiger TV Hüttenberg durch.

 Der Held des Abends aus Dormagener Sicht in der Sporthalle Gießen-Ost: Torhüter Gergö Rozsavölgyi rettete mit seiner Siebenmeterparade 20 Sekunden vor dem Schlusspfiff den ersten Saisonsieg.

Der Held des Abends aus Dormagener Sicht in der Sporthalle Gießen-Ost: Torhüter Gergö Rozsavölgyi rettete mit seiner Siebenmeterparade 20 Sekunden vor dem Schlusspfiff den ersten Saisonsieg.

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Björn Barthel mochte gar nicht mehr hinsehen. Als der Vorsprung, den sich seine Spieler 50 Minuten lang redlich erarbeitet hatten, Tor um Tor dahin schmolz, verbarg der Handball-Geschäftsführer des TSV Bayer Dormagen auf der Tribüne der Sporthalle Gießen-Ost das Gesicht in den Händen. „So eine Chance hätten wir so schnell nicht wieder bekommen,“ sagte er hinterher.

Da war die Anspannung längst der Freude gewichen. Der Freude über das 30:29 (Halbzeit 14:13) des Aufsteigers beim TV Hüttenberg, der vor drei Monaten noch in der Ersten Liga gespielt hatte und nun nach 1:5 Zählern aus den ersten drei Punktspielen im Unterhaus den freien Fall fürchtet. Der Freude über den ersten Zweitliga-Sieg des TSV Bayer seit 876 Tagen – der letzte datiert vom 16. April 2016, als die Dormagener zu Hause TuSEM Essen mit 29:27 bezwangen. Und der Freude darüber, dass seine vor Saisonbeginn getätigte Aussage, der Neuling sei nicht chancenlos im Kampf um den Klassenerhalt in der „stärksten Zweiten Liga der Welt“, nicht bloß grundloser Zweckoptimismus zu sein scheint.

Denn wenn er am Ende, mit einem gehaltenen Strafwurf von Gergö Rozsavölgyi gegen den zuvor vier Mal vom Siebenmeterpunkt (und einmal im Nachwurf) erfolgreichen Ex-Dormagener Daniel Wernig 20 Sekunden vor dem Schlusspfiff als dramatischem Höhepunkt, auch ein wenig glücklich ausfiel, verdient war der Sieg allemal. Und das nicht nur, weil bei den Hausherren „die Verunsicherung mit Händen zu greifen“ war, wie Trainer Emir Kurtagic angesichts einer Fülle teilweise haarsträubender Fehler seiner Schützlinge zugab.

Nein, der Aufsteiger überzeugte zumindest 50 Minuten lang mit einer durchdachten Spielanlage, einer offensiv ausgerichteten Abwehr (ganz stark der rechtzeitig von den Qualifikationsspielen mit der US-Nationalmannschaft zurückgekehrte Ian Hüter als vorgezogener „Störer“) und hohem Tempo, dem die Hüttenberger wenig entgegen zu setzen hatten. Lohn des Ganzen: Nach 40 Minuten führten die Dormagener erstmals mit fünf Toren Unterschied (22:17), neun Minuten später hatten sie diesen Abstand noch einmal hergestellt (26:21).

Dass es anschließend eng, hektisch und dramatisch zuging vor 1280 Zuschauern, mochte Trainer Ulli Kriebel seinen Spielern nicht ankreiden: „Dass sie bei so einem Spielverlauf und so einem Publikum nervös werden, ist doch verständlich.“ Dass die Deckung allerdings vier, fünf Mal hintereinander den gleichen Fehler machte und den Hüttenbergern so die erfolgreiche Aufholjagd bis zum 28:28 (57.) überhaupt erst ermöglichte, war nicht allein jugendlichem Leichtsinn zuzuschreiben – da hätte die Bank korrigierend eingreifen müssen.

So konnte er sich bei Gergö Rozsavölgyi bedanken, dass die „auf dem Silbertablett servierten Punkte“ (Torwarttrainer Joachim Kurth) tatsächlich an die Gäste gingen. Bei dem Ungarn steht auch Tim Wieling in der Schuld, denn der Rechtsaußen, ansonsten mit 9/2 Treffern bester Werfer, hätte mit seiner unbedachten Aktion 20 Sekunden vor Schluss, die ihm die Rote Karte und dem TV Hüttenberg den (letztlich vergebenen) Siebenmeter einbrachte, leicht zum tragischen Helden der Partie werden können.

Weil es aber beim 30:29 blieb, war Kriebel zu Recht „unheimlich stolz“ auf seine Mannschaft, „sie hat genau das umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten.“ Will heißen: die Fehler minimieren und die Chancen besser nutzen. Was fehlt, ist immer noch einer, der Ruhe in den Sturm und Drang bringt – da wird das Debüt des weiterhin angeschlagen zuschauenden Heider Thomas sehnsüchtig erwartet, am besten schon im nächsten Heimspiel gegen den Wilhelmshavener HV. „Vielleicht kommen nach unserem ersten Sieg ja jetzt ein paar Zuschauer mehr,“ sagt Björn Barthel, schließlich könnte die Partie – Anwurf ist am Samstag um 19.30 Uhr – richtungweisend für den kompletten weiteren Saisonverlauf sein.

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