Viel los auf Gut Gnadental Dieser Tandem-Tag bleibt im Gedächtnis

Gnadental · Das integrative Sportfest auf Gut Gnadental übertraf nach anderthalbjähriger Zwangspause am Samstag alle Erwartungen. Mit so vielen Besuchern hatten die Veranstalter nicht gerechnet. Es gab viele Aktionen zum Mitmachen und Bestaunen.

 Der traditionelle Auftakt des Tandem-Tags: Beeinträchtigte Menschen drehen teils mit prominenten Gästen, hier rechts der Neusser Bürgermeister Reiner Breuer (SPD), eine Runde entlang der Erft.

Der traditionelle Auftakt des Tandem-Tags: Beeinträchtigte Menschen drehen teils mit prominenten Gästen, hier rechts der Neusser Bürgermeister Reiner Breuer (SPD), eine Runde entlang der Erft.

Foto: Andreas Woitschützke

„Schön, Dich wiederzusehen.“ Johannes, der bei den Handikaps des TC Grün-Weiss Neuss Tennis spielt, sprach gelassen aus, was als Motto über dem nachgeholten Tandem-Tag auf Gut Gnadental hätte stehen können. „Es tut gut, wieder unter Menschen zu sein und nicht nur in Videokonferenzen mit ihnen zu sprechen,“ brachte es Reiner Breuer auf den Punkt, bevor sich der Neusser Bürgermeister mit einem Dutzend weiterer Tandems auf die obligatorische Eröffnungsrunde entlang der Erft machte.

Die Tour, angeführt von Agnes Werhahn, der inzwischen zum x-ten Mal reaktivierten, auf Ewigkeit erfolgreichsten Voltigiertrainerin der Welt, war schneller zu Ende als geplant. Doch Langeweile kam keine auf in der Wartezeit bis zum Anpfiff des integrativen Fußballspiels auf der Obstwiese – und auch in keinem anderen Moment der sechsstündigen Veranstaltung, die aller Skepsis zum Trotz tatsächlich wieder zum Familienfest wurde. Schließlich gab es so viel zu tun, so viel auszuprobieren, so viel zu sehen. Und vor allem: so viel zu reden.

 Gastgeberin Jutta Zülow mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Hermann Gröhe (l.) und Landrat Hans-Jürgen Petrauschke beim Start der Tandem-Tour.

Gastgeberin Jutta Zülow mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Hermann Gröhe (l.) und Landrat Hans-Jürgen Petrauschke beim Start der Tandem-Tour.

Foto: Andreas Woitschützke

„Die Menschen haben einen enormen Nachholbedarf,“ stellte eine müde, aber glückliche Jutta Zülow fest, als sie mit der Überreichung des Tombola-Hauptgewinns – eine dreitägige Berlin-Reise nebst Besuch der Eröffnungsfeier der Special Olympics National Games im kommenden Jahr – den Schlusspunkt unter einen Tandem-Tag setzte, der in Erinnerung bleiben wird. Die Hausherrin auf Gut Gnadental und Vorsitzende der gastgebenden Tandem-Stiftung Burkhard Zülow, war „überwältigt von der Resonanz. Ganz ehrlich: Dass so viele kommen, hatte ich nicht erwartet.“ Thomas Gindra, Vize-Präsident von Special Olympics Deutschland und als Sportlehrer bei den Gemeinnützigen Werkstätten (GWN) mitten drin im Geschehen, setzte noch einen drauf: „Von denen, für die wir den Tandem-Tag veranstalten, nämlich den Menschen mit Beeinträchtigungen, waren mehr da als in den Vorjahren.“ Für ihn der Beweis, „dass sie alle heiß darauf sind, endlich wieder etwas in Gemeinschaft machen zu können.“

 Die integrativen Fußballmannschaften des BV Weckhoven und der DJK Rheinkraft waren beim Tandem-Tag mit viel Spaß bei der Sache.

Die integrativen Fußballmannschaften des BV Weckhoven und der DJK Rheinkraft waren beim Tandem-Tag mit viel Spaß bei der Sache.

Foto: Andreas Woitschützke

Und zu „machen“ gab es reichlich an dem runden Dutzend Sportstationen zwischen Tandem-Fahren und Tischtennis, Voltigieren und Kanu, Ringen und Rollstuhl-Basketball. Demnächst kommt auch noch eine weitere Disziplin dazu: Den von Volker Staufert initiierten Aufbau eines integrativen Handballteams im Rhein-Kreis Neuss sieht Natascha Dauben, Projektmanagerin bei Special Olympics NRW und selbst aktive Handballerin beim TV Korschenbroich, auf einem guten Weg. Ermöglicht auch durch eine großzügige Spende des Rotary Clubs Neuss, die Dieter-Alfred „Butz“ Paul überbrachte: „Weil wir uns für soziale Projekte engagieren, und weil wir dieses integrative Team für eine gute Sache halten.“

 Spektakuläres zeigte das Akrobatenduo Kira&Anders.

Spektakuläres zeigte das Akrobatenduo Kira&Anders.

Foto: Andreas Woitschützke

Vorbild könnten die integrativen Fußballmannschaften des BV Weckhoven und der DJK Rheinkraft sein, die mit viel Spaß bei der Sache waren. Mit so viel Spaß, dass ein Zuschauer anmerkte: „So ein Spiel müssten sich die Profis mal ansehen, dann würden sie erkennen, dass Fußball auch was mit Freude zu tun hat.“ Die Handballer haben das offenbar schon begriffen: Lucas Rehfuß, Junioren-Nationalspieler im Trikot des TSV Bayer Dormagen, könnte sich eine gemeinsame Trainingseinheit mit dem noch zu bildenden Team jedenfalls ebenso gut vorstellen wie Tim Dicks vom Neusser HV, unter dessen Vereinsdach die „Tandem-Mannschaft“ angesiedelt werden soll.

 Moderator Volker Koch lässt sich von Butz Paul, Natascha Dauben, Lucas Rehfus, Tim Dicks (v.r.) und Volker Staufert (vorne) das Handballprojekt erklären.

Moderator Volker Koch lässt sich von Butz Paul, Natascha Dauben, Lucas Rehfus, Tim Dicks (v.r.) und Volker Staufert (vorne) das Handballprojekt erklären.

Foto: Andreas Woitschützke

Wer sich nicht selbst sportlich betätigte an diesem sonnigen Samstag, hatte genug zum Anschauen. Die Bodenkür von Olympia-Turnerin Sarah Voss, die Voltigier-Darbietungen der zwei Gruppen vom RSV Grimlinghausen, die selbst der dreifachen Weltmeisterin Nadia Ehning höchstes Lob entlockten. Und nicht zuletzt das Akrobatenduo Kira&Anders. Und während Sarah Voss bekannte, vor dem Wechsel ins Turnerinnenlager ebenfalls voltigiert zu haben, bestätigte der weibliche Teil des Artistenduos Nadia Ehnings Einschätzung, Voltigieren sei „ein Sport fürs Leben“. Die beiden hatten sich 1999 bei den Europameisterschaften kennengelernt, als Kira Dritte mit der Gruppe (des RV Köln-Dünnwald) und Nadia Europameisterin wurde, und sich jetzt wiedergetroffen, als Familie Ehning im Urlaub auf Juist eine Zirkusschule besuchte. Geschichten, die man nur erzählen kann, wenn Menschen aufeinandertreffen – direkt und nicht bloß virtuell.

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