Dormagen HSV Hamburg rüstet für die Erste Bundesliga

Dormagen · Trotz Corona-Lockdown und fehlender Zuschauereinnahmen drehte sich in der 2. Handball-Bundesliga das Wechselkarussell mit hoher Intensität.

 Johannes Bitter, Weltmeister von 2007,  steht in der nächsten Saison wieder im Tor des HSV Hamburg.

Johannes Bitter, Weltmeister von 2007,  steht in der nächsten Saison wieder im Tor des HSV Hamburg.

Foto: dpa/Tom Weller

So kann man sich täuschen: Nach der vorzeitig abgebrochenen vergangenen Saison und den daraus resultierenden Einnahmeverlusten aus einem halben Dutzend Heimspielen sowie den  „Geisterspielen“ in der laufenden Spielzeit – die bis zum Mittwoch ausgetragenen 145 Partien wurden (vornehmlich an den ersten beiden Spieltagen) von 16.518 Zuschauern besucht, was statistisch gesehen einem Schnitt von 115 Zuschauern pro Partie entspricht – schien Bescheidenheit angesagt in der 2. Handball-Bundesliga. Die Aktivitäten an der Wechselbörse, die am Montagabend ihre Pforten schloss, sprechen bei einigen Klubs jedoch eher für das Gegenteil: Wer aufsteigen oder dem Abstieg entgehen will, verfiel auch in Corona-Zeiten in das übliche Verhaltensmuster – und legte im Kader noch einmal nach.

Der spektakulärste Transfercoup allerdings besitzt erst für die nächste Saison Gültigkeit: Nationaltorhüter Johannes Bitter wechselt vom TVB Stuttgart zurück zum HSV Hamburg, für den der 38-Jährige zwischen 2007 und Januar 2016 zwischen den Pfosten stand. Die Hamburger hatten zuvor bereits mit dem Blitztransfer von Torhüter Jens Vortmann für Schlagzeilen gesorgt.

Die aktuellen Wechsel Am Donnerstag vergangener Woche hatte der Wilhelmshavener HV noch voller Entrüstung einen sofortigen Wechsel von Jens Vortmann dementiert, einen Tag später musste der Aufsteiger den 34-Jährigen, der zu Zeiten des DHC Rheinland auch schon in Dormagen zwischen den Torpfosten stand, dann doch ziehen lassen. Vortmann, erst im vergangenen Sommer vom SC DHfK Leipzig nach Wilhelmshaven gewechselt, nutzte eine Option, die er sich nach der Insolvenz des ursprünglichen wirtschaftlichen Trägers des WHV in seinen Vertrag hatte aufnehmen lassen. HSVH-Trainer Torsten Jansen hatte sich zuletzt unzufrieden mit den Leistungen seines Torhüterduos Jonas Maier und Marcel Kokoszka gezeigt. Vortmann bildete in der Saison 2015/16 in Hamburg schon einmal ein Gespann mit Johannes Bitter – sein aktueller Vertrag läuft allerdings erst einmal nur bis Saisonende, an dem der HSVH gerne die Rückkehr in die Erstklassigkeit feiern möchte.

Nicht in Schieflage geraten Allerdings betont Klubpräsident Marc Evermann: „Wir haben immer gesagt, dass wir uns auf dem Weg in die Bundesliga nicht den Hals brechen wollen.“ Und auch Geschäftsführer Sebastian Frecke legt Wert auf die Feststellung: „Es war klar, dass wir unseren Verein auch für Johannes Bitter nicht in finanzielle Schieflage geraten lassen. Wir haben ihm ein Angebot im Rahmen unserer Möglichkeiten gemacht und ihm Perspektiven aufgezeigt.“  Bitter, bei der WM in Ägypten der einzige deutsche Torhüter mit annähernd Weltklasseformat, dem auch ein Angebot des FC Barcelona vorlag, soll bei den Hamburgern neben dem Toreverhindern auch Aufgaben im Marketingbereich übernehmen.

Viel Bewegung im Tabellenkeller Paradoxerweise war ausgerechnet der Wilhelmshavener HV am aktivsten auf dem Transfermarkt unterwegs. Dabei musste der Aufsteiger, der vor Saisonbeginn aus einem angepeilten „Durchmarsch“ in die Erste Liga nie einen Hehl machte, nach der Inhaftierung eines Gesellschafters und Großsponsors im Herbst Insolvenz anmelden und stünde deshalb eigentlich wie vor zwei Jahren der HC Rhein Vikings als erster Absteiger fest. Doch der WHV profitiert von einer aufgrund der Corona-Krise in die Spielordnung aufgenommenen Sonderregelung, wonach in dieser Saison ein Wechsel des wirtschaftlichen Trägers „nur“ mit dem Abzug von vier Pluspunkten bestraft wird. Dessen ungeachtet verpflichteten die Norddeutschen drei neue Spieler: David Jurisic vom Neusser HV, den Kroaten Gabrijel Misetic (RK Sarajevo) und dessen Landsmann Ivan Eres, der als Vortmann-Ersatz von den Füchsen Berlin „ausgeliehen“ wurde.

Im Abstiegskampf setzen auch andere auf Verstärkungen beziehungsweise „Leihgaben“: So verpflichtete der TuS Ferndorf nach dem Ex-Neusser Christopher Klasmann (SG Schalksmühle-Halver) in Niklas Diebel einen weiteren Spieler für den linken Rückraum, der für die HBW Balingen-Weilstetten bereits 13 Erstliga-Spiele bestritt. Der TV Großwallstadt holte Kreisläufer Lino Messerschmidt (SG Oftersheim-Schwetzingen), der ThSV Eisenach lieh sich von Drittligist HG Saarlouis dessen Kapitän Peter Walz, der bei der 27:29-Niederlage in Dormagen bereits sein Debüt feierte, und der TV Emsdetten verpflichtete neben Neu-Trainer Peter Portengen (löste in der WM-Pause Aaron Ziercke ab) auch dessen niederländischen Landsmann Robin Jansen. Offenbar mit Erfolg: In zwei Spielen gelangen zwei Siege.

Wechsel auf die Zukunft Die Rückkehr von Johannes Bitter nach Hamburg dürfte schwer zu toppen sein bis zum Beginn der neuen Saison. Unabhängig davon haben einige Klubs bereits Weichenstellungen für die neue Saison vorgenommen. So der in dieser Spielzeit den (eigenen) Erwartungen arg hinterherlaufende ASV Hamm-Westfalen, der in Torhüter Vladimir Bozic, vor seinem Engagement bei der HBW Balingen-Weilstetten bei den Rhein Vikings aktiv, und Rechtsaußen Tim Roman Wieling zwei Erstliga-erfahrene Spieler verpflichtete. Wieling war vor zwei Jahren vom TSV Bayer Dormagen mit großen Hoffnungen zum TVB Stuttgart gewechselt, jetzt kehrt der 24-Jährige in die Zweite Liga zurück und trifft in Hamm in Jo-Gerrit Genz auf einen weiteren Ex-Dormagener. Der TuS N-Lübbecke, einziger echter Verfolger des Spitzenduos HSV Hamburg und VfL Gummersbach, sicherte sich für die kommende Spielzeit die Dienste des Ex-Korschenbroichers Tom Wolf auf der Spielmacherposition. Der Sohn des aktuellen TVK-Trainers Dirk Wolf kämpft derweil mit der HSG Konstanz noch um den Klassenerhalt.

Blick in die Nachbarschaft Einmal mehr für außergewöhnliche Schlagzeilen sorgt die HSG Krefeld: Der Drittligist trennt sich mitten im Corona-Lockdown von Trainer Felix Linden und ersetzt ihn durch Maik Pallach, zuletzt Jugendkoordinator beim TV Großwallstadt. In dieser Funktion war der 39-Jährige auch mal kurzzeitig beim HC Rhein Vikings tätig. Für eine eventuelle Aufstiegsrunde zur 2. Liga verstärkten sich die Krefelder, in deren Kader gleich sieben ehemalige Spieler des TSV Bayer Dormagen stehen, außerdem mit dem Kroaten Domagoj Srsen und dem Niederländer Robin Schoemaker. Krefelds derzeitiger Liga-Konkurrent Leichlinger TV hat in Felix Barwitzki und Jan Speckmann ebenfalls zwei in Dormagen ausgebildete Spieler für die neue Saison unter Vertrag genommen.

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