Sportpolitik Sportler mit Ausbildung sind am erfolgreichsten

Neuss · Sportstiftung NRW und Olympiastützpunkt setzen auf die "Zwillingskarriere". Dafür bedarf es Partner in der Wirtschaft.

 Streiter für eine "Zwillingskarriere" von Ausbildung, Beruf und Sport: Dieter Welsink, Jürgen Brüggemann und Michael Scharf (v.l.).

Streiter für eine "Zwillingskarriere" von Ausbildung, Beruf und Sport: Dieter Welsink, Jürgen Brüggemann und Michael Scharf (v.l.).

Foto: A. Woitschützke

Patrick Loes spricht aus Erfahrung. Aus der eigenen, die den 27-Jährigen auf der Ringermatte bis in die Bundesliga (unter anderem beim KSK Konkordia Neuss) und ins Nationaltrikot brachte. Und aus der des Bundestrainers der Frauen. Ein Amt, das er seit Jahresbeginn inne hat und das ihm im Weltmeistertitel für Aline Focken gleich einen ebenso unverhofften wie herausragenden Erfolg bescherte.

 Ringer-Weltmeisterin Aline Focken zeigt "ihrem" Bundestrainer Patrick Loes ihren Arbeitsplatz, Voltigier-Weltmeister Johannes Kay (l.) schaut zu.

Ringer-Weltmeisterin Aline Focken zeigt "ihrem" Bundestrainer Patrick Loes ihren Arbeitsplatz, Voltigier-Weltmeister Johannes Kay (l.) schaut zu.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Die 24 Jahre alte Krefelderin, die in Neuss bei der medicoreha als Sportlehrerin arbeitet und gleichzeitig ein Fernstudium "Gesundheit und Prävention"absolviert (die NGZ berichtete), ist in seinen Augen das beste Beispiel für einen neuen Sportlertyp: "Die, die sich nicht nur auf Training und Wettkampf konzentrieren, sind derzeit am erfolgreichsten." Für Loes liegt der Grund auf der Hand: "Wenn ich bei der Bundeswehr bin oder mich nur auf den Sport konzentriere, kann ich's im Training auch mal ruhig angehen lassen. Wer sich die Zeit fürs Training einteilen muss, weil er in der Ausbildung oder im Beruf steht, trainiert bewusster und intensiver." Für ihn steht daher fest: "Wenn Aline nur ringen würde, wäre sie nicht so erfolgreich."

Mit seiner Meinung steht der Ringerinnen-Bundestrainer keineswegs alleine da. "Die Zwillingskarriere ist das Sportmodell der Zukunft", ist Michael Scharf überzeugt. "Wenn wir überhaupt noch international konkurrenzfähig bleiben wollen, dann nur so, denn einen 'Staatssport' wie in anderen Ländern wird es bei uns wohl nie geben", sagt der Leiter des Olympiastützpunktes Rheinland. Im Gegenteil, die Mittel für den Leistungs- und Spitzensport würden eher weniger. "Curling ist jetzt überall", sagt Scharf. Und meint damit, dass in den Fachverbänden die Angst vor Mittelkürzungen oder -streichungen umgehe, wie sie jüngst den zum olympischen Kanon gehörenden Curling-Verband bis ins Mark getroffen haben.

Das, sagt Jürgen Brüggemann, ist durch Sponsoring nicht aufzufangen: "Bei unserem Modell geht es deshalb nicht um Sponsoren, sondern um Partner." Der Geschäftsführer der Sportstiftung NRW gilt als Erfinder der "Zwillingskarriere". Bei der geht es nicht wie bei der "dualen" um die bloße Bereitstellung eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes für Spitzensportler. Sondern vielmehr darum, dass sie "die sportliche und die berufliche Karriere gleichzeitig vorantreiben" können, begleitet und beraten von Olympiastützpunkt und Trainern, aber auch von Mentoren auf Seiten der Arbeitgeber.

Rüdiger Hübbers-Lüking ist einer davon. Selbst als Slalom-Kanute 1992 in Barcelona zu olympischen Ehren gekommen, kümmert er sich bei der medicoreha (nicht nur) um die leistungssportlichen Aktivitäten des Gesundheitsanbieters mit mehreren Standorten im Rhein-Kreis. Dazu gehören auch die Spitzensportler im eigenen Haus, so wie Aline Focken oder Voltigier-Weltmeister Johannes Kay, der seit einem Jahr eine Ausbildung zum Physiotherapeuten macht (die NGZ berichtete).

Diese Mentoren seien für den Erfolg des Projektes ebenso entscheidend wie das Verständnis der Trainer: "Wenn der nicht will, geht gar nichts", sagt Jürgen Brüggemann, der jedoch erfreut registriert, "dass die jüngere Trainergeneration inzwischen begriffen hat, dass es auf ein vernünftiges Miteinander aller Beteiligten ankommt." Bei Aline Focken funktioniert das reibungslos. Stehen keine Wettkämpfe oder Trainingslager an, ist sie so wie jetzt (fast) täglich in der Sporthalle der medicoreha an der Preußenstraße zu finden. "Sagt der Trainer aber, dass die Arbeit im Moment zuviel Raum einnimmt im Verhältnis zum Training, schließt er sich mit dem jeweiligen Mentor kurz und dann wird eine Lösung gefunden, die allein Seiten gerecht wird", beschreibt Brüggemann die Vorgehensweise.

Bei der "die Kollegen, aber auch der Chef mitspielen" müssen, sagt Jürgen Brüggemann. Die medicoreha sei da ein Idealfall, nicht nur, weil auch die geschäftlichen Inhalte des Unternehmens viel mit Sport zu tun hätten: "Das ist bei einer Versicherung oder einem Automobilhersteller natürlich nicht so leicht", weiß der Geschäftsführer der Sportstiftung, die in Sachen "Zwillingskarriere" zur Zeit mit 25 Wirtschaftsunternehmen zusammenarbeitet.

"Eine Firma, die mitmacht, ist einfacher zu finden als Sportler, die bereit sind, diesen Weg zu gehen", sagt Brüggemann. Was wohl auch daran liegt, "dass es viel Organisation und viel Absprache benötigt, damit das Ganze funktioniert", sagt Aline Focken, "das wichtigste für Sportler ist, sich gut organisieren zu können." Was wiederum dem Arbeitgeber zugute kommt: "Spitzensportler arbeiten ergebnisorientierter und effektiver", hat Dieter Welsink, geschäftsführender Gesellschafter der medicoreha und selbst 1979 Weltmeister im Kanu-Slalom, erkannt. Oder wie es der 19 Jahre alte Johannes Kay mit fast schon weltmännischer Erfahrung formuliert: "Morgens Ausbildung, abends Training, das eine ist der ideale Ausgleich für das andere. Ich bin am besten, wenn alles in einem guten Gleichgewicht ist."

(NGZ)
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