Rudern Die Spankes sitzen alle in einem (Ruder-)Boot

Neuss · Rudern gilt als der Familiensport schlechthin, die Chronik des Neusser Rudervereins listet unter den mehr als 600 Mitgliedern ganze Dynastien mit gleichem Nachnamen auf. Doch kaum eine Familie dürfte sportlich so erfolgreich sein wie die von Bernhard und Simone Spanke aus Norf – ihre älteste Tochter Vera darf sich sogar Hoffnungen auf ein Ticket zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio machen.

 Früh übt sich, wer nach Tokio möchte: Im zarten Alter von einem Jahr durfte Vera Spanke erstmals in einem Ruderboot Platz nehmen.   Foto: B. Spanke

Früh übt sich, wer nach Tokio möchte: Im zarten Alter von einem Jahr durfte Vera Spanke erstmals in einem Ruderboot Platz nehmen. Foto: B. Spanke

Foto: Benno Spanke

Bei der Erziehung von Hannah muss irgendetwas schief gelaufen sein. Legt man die Maßstäbe des Hauses Spanke an, gilt die 20-Jährige fast schon als verhaltensauffällig. Denn während der Rest der fünfköpfigen Familie alle in einem (Ruder)Boot sitzt, hat sich die mittlere der drei Töchter den Künsten verschrieben, als Malerin auch schon Preise gewonnen.

Ganz ohne Rudern, beruhigt Vater Bernhard Spanke besorgte Gemüter, geht es aber auch bei ihr nicht: „Hannah fährt mit auf Regatten, aber als Zuschauerin, zum Anfeuern, Feiern und Trösten.“ Und sie gehört, heutzutage ganz wichtig, zur familien-internen „Ruder-Whatsapp-Gruppe“ dazu.

Gott sei Dank, denkt der Beobachter, der sich mit der Sportfamilie aus Norf beschäftigt. Sonst wäre die Geschichte nicht so rund geworden. Dass sie es wird, dafür sorgen Bernhard, den in der Ruderszene alle nur Benno rufen, seine Frau Simone Schmitz-Spanke und die anderen beiden Töchter: Die gerade 22 Jahre alt gewordene Vera, die sich nach einer bärenstarken Vorstellung beim Winter-Leistungstest des Deutschen Ruderverbandes Hoffnungen auf eine Fahrkarte zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio machen darf, und die sechs Jahre jüngere Helena, „die sich jetzt mächtig ins Zeug legt,“ sagt ihr Vater.

Die Vier sind aber beileibe nicht alle aus der Ruderfamilie Spanke. Benno zählt auf: „Meine Mutter und mein Onkel waren im Neusser Ruderverein, meine drei Brüder auch.“ Mit seinem Bruder Alexander ist er als Junior Rennen im Zweier gefahren. Studenten-Weltmeister im Doppelzweier wurde er dann 1983 mit Harald Franz und Steuermann Joachim Sinzig. 31 Jahre später war der nächste Weltmeistertitel für den Neusser Ruderverein fällig – dank Vera Spanke, die ihn mit dem deutschen Achter bei der Junioren-WM in Hamburg gewann. Doch Titel und Medaillen erzählen noch keine Geschichte. Schon gar keine Familiengeschichte. In die passt schon eher, dass sich ihre Eltern beim Rudertraining kennengelernt haben, Benno im Dress des Neusser Rudervereins (den er seit 1974 trägt), Simone in dem der Schülerruderriege Marienberg. Dabei blieb es nicht, 1984 trat auch die spätere Frau Spanke dem NRV bei und wurde DM-Dritte mit dem Vierer.

Womit wir schon wieder bei Titeln und Medaillen sind. Erzählen wir lieber davon, dass Mutter (Simone) und Tochter (Vera) schon gemeinsam im Achter saßen, als die Neusser unter dem Decknamen „Rheinsprinter“ in der Frauen-Bundesliga starteten. Oder davon, dass sich Spankes zur Silberhochzeit gegenseitig – na was denn wohl schenkten? Richtig: einen Rennzweier. „Seit Simone eine Professur in Erlangen hat, sehen wir uns unter der Woche nicht mehr so oft,“ sagt Benno, selbst Lehrer für Biologie und Sport an der Bettine-von-Arnim-Gesamtschule in Langenfeld, „und unsere knappe gemeinsame freie Zeit möchten wir am liebsten da verbringen, wo es uns am meisten Spaß macht: auf dem Wasser.“ So ist das in einer Ruder-Familie. Vera wurde schon im zarten Alter von einem Jahr mit dem Virus infiziert, als sie auf der Londoner Themse zum ersten Mal in einem Boot Platz nehmen durfte – nicht an den Skulls, sondern auf dem Sitz des Steuermanns. So etwas bleibt haften, meist ein Leben lang. Deshalb fliegt sie am Zweiten Weihnachtstag mit der deutschen Nationalmannschaft in die Türkei ins Trainingslager.

Ohne Eltern. Die sind aber stets dabei, wenn der Neusser Ruderverein irgendwo zum Trainingslager seine Zelte aufschlägt. Benno betreut, Simone kocht, „und dazwischen finden wir noch genügend Zeit, um selbst zu rudern,“ sagt der 58-Jährige. Die beiden organisieren gerade das Wintertrainingslager des Vereins. „Das tun wir, um die Trainer zu entlasten,“ sagt der Studenten-Weltmeister von 1983, der sich auch mit großer Sorgfalt um die Öffentlichkeitsarbeit des NRV kümmert, der mit mehr als 600 Mitgliedern der größte Ruderverein in Nordrhein-Westfalen ist und zu den größten innerhalb des Deutschen Ruderverbandes gehört.

Bernhard Spanke sieht das als Selbstverständlichkeit an: „Der Verein hat mir so viel gegeben, als ich jung war, da möchte ich jetzt auch etwas zurückgeben.“ Vielleicht ist es diese Einstellung, die den Neusser Ruderverein zu einer Besonderheit in der Sportszene macht. Das, und die Tatsache, dass die Spankes bei weitem nicht die einzige Familie sind, die beim NRV alle in einem Boot sitzen.

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