Handball "Spieler denken zu oft an Geld"

Kai Wandschneider, dienstältester Trainer in der Handball-Bundesliga, sieht die Schuld für das deutsche WM-Debakel nicht bei Bundestrainer Heiner Brand oder einzelnen Spielern: "Das ist ein Strukturproblem".

 Besorgte Mienen, wenn es um die Zukunft des deutschen Handballs geht: Kai Wandschneider, Heiner Brand, Andreas Thiel, Christian Fitzek (oben von rechts).

Besorgte Mienen, wenn es um die Zukunft des deutschen Handballs geht: Kai Wandschneider, Heiner Brand, Andreas Thiel, Christian Fitzek (oben von rechts).

Foto: NGZ

Der Schock über das deutsche Debakel bei der Handball-WM in Schweden sitzt tief. Auch bei Kai Wandschneider (51), fast auf den Tag genau ein Jahrzehnt in Dormagener Diensten und damit dienstältester Trainer in der Bundesliga. "Das ist der Tiefpunkt des deutschen Handballs in den vergangenen zwei Jahrzehnten", sagt er über die verpasste Teilnahme an den Olympia-Qualifikationsturnieren. Seine Vorwürfe richten sich jedoch weder an Bundestrainer Heiner Brand ("das hat er nicht verdient") noch an einzelne Spieler: "Der deutsche Handball hat ein Strukturproblem", sagt der Trainer des DHC Rheinland.

 Besorgte Mienen, wenn es um die Zukunft des deutschen Handballs geht: Kai Wandschneider, Heiner Brand, Andreas Thiel, Christian Fitzek (oben von rechts).

Besorgte Mienen, wenn es um die Zukunft des deutschen Handballs geht: Kai Wandschneider, Heiner Brand, Andreas Thiel, Christian Fitzek (oben von rechts).

Foto: NGZ

Herr Wandschneider, wie haben Sie das Debakel gegen Norwegen erlebt?

Kai Wandschneider Ich habe das Spiel nicht zu Ende geschaut – und das lag nicht nur daran, dass ich zum Training musste. Ich kann nicht sagen, was in den letzten beiden Spielen mit der deutschen Mannschaft passiert ist, dafür bin ich zu weit weg. Vielleicht war sie zu sehr auf das Erreichen des Halbfinales fokussiert – und als das nach dem spanischen Sieg über Island nicht mehr zu erreichen war, waren Anspannung und Motivation weg. Da herrschte doch nur noch mentale Leere bei den Spielern, das hat man doch in ihren Gesichtern gesehen.

Oder hat Heiner Brand sie nicht mehr erreicht?

Wandschneider Dem Bundestrainer mache ich keinen Vorwurf, und das nicht nur, weil ich bekennender Heiner Brand-Fan bin. Du kannst als Trainer von außen nicht alles beeinflussen, das erlebe ich doch immer wieder selbst. Du brauchst Spieler, die selbst auf dem Feld die Verantwortung übernehmen, die Dinge erkennen und umsetzen. Und genau solche Spieler haben Heiner Brand in Schweden gefehlt.

Hat er die falschen Leute mitgenommen?

Wandschneider Wen hätte er denn sonst mitnehmen sollen? Die Bundesliga gibt nichts anderes her, weil die Schlüsselpositionen in den Top-Vereinen fast nur mit Ausländern besetzt sind. Wir haben nicht genug Klasse, der Pool, aus dem der Bundestrainer schöpfen kann, ist zu klein. Deshalb fordert Heiner Brand auch zu Recht seit Jahren eine freiwillige Ausländerquote. Und dann diese lächerliche Vorbereitung von einer Woche, weil die Bundesliga unbedingt bis nach Weihnachten spielen musste. Franzosen und Spanier hatten seit Anfang Dezember Liga-Pause, deren Nationalspieler haben erst mal eine Woche Regeneration gehabt, bevor sie mit der WM-Vorbereitung begonnen haben. Deshalb waren die nicht nur spielerisch die besten, sondern auch körperlich die fittesten.

Oder können sich deutsche Handballer nicht richtig quälen?

Wandschneider Die Jungs quälen sich zehn Monate in der Bundesliga. Der Job da ist nämlich viel härter als in der spanischen oder französischen Liga, weil bei uns anders als dort auch Spitzenmannschaften jeden Gegner ernst nehmen müssen. Dass sie dann platt sind, ist nicht verwunderlich. Aber eines stimmt sicherlich: Deutsche Spieler, oder besser gesagt ihre Berater, schauen oft mehr aufs Geld als auf Einsatzzeiten oder sportliche Perspektiven. Deshalb sitzen viele lieber bei finanziell gut ausgestatteten Klubs auf der Bank anstatt bei Vereinen wie bei uns oder in der Zweiten Liga Spielpraxis und Erfahrung zu sammeln. Deutschland ist seit Jahren bei den Junioren Weltspitze, aber davon kommt aus den genannten Gründen zu wenig oben an. Vielleicht setzt ja jetzt ein Umdenken ein, dann hätte das WM-Debakel wenigstens ein Gutes gehabt.

Volker Koch führte das Gespräch

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort