Handball-Weltmeisterschaft So viel Handball-WM gab es bei uns noch nie

Rhein-Kreis · Zehn Spieler und drei Trainer, die ab Mittwoch bei der Handball-Weltmeisterschaften in Polen und Schweden dabei sind, waren einst im Rhein-Kreis Neuss aktiv – oder sind es immer noch.

Julian Köster spielt eine wichtige Rolle im Defensivkonzept des deutschen Bundestrainers Alfred Gislason.

Julian Köster spielt eine wichtige Rolle im Defensivkonzept des deutschen Bundestrainers Alfred Gislason.

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Das ist ein neuer Rekord: Genau 13 Akteure, die ab Mittwoch bei den Handball-Weltmeisterschaften in Polen und Schweden ins Geschehen eingreifen, waren einst im Rhein-Kreis Neuss aktiv – oder sind es, wie Ian und Patrick Hüter, immer noch. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer (oder mehrere) von ihnen das Finale erreicht, das am 29. Januar um 20.30 Uhr in der Tele2-Arena Stockholm angepfiffen wird, ist so gering nicht: Nikolaj Jacobsen als Trainer von Titelverteidiger Dänemark und Kentin Mahe als Spielmacher des aktuellen Olympiasiegers Frankreich haben die größten Chancen.

Die USA Der neue Rekord ist vor allem auf die zweite WM-Teilnahme der Vereinigten Staaten zurück zu führen, denn gleich fünf US-Boys waren im Rhein Kreis aktiv. Oder sind es immer noch, wie Ian (25, 26 Länderspiele, 62 Tore) und Patrick Hüter (27, 12 Länderspiele, 45 Tore), die seit Kindesbeinen das Trikot des TSV Bayer Dormagen tragen und als Leistungsträger nicht aus dem Zweitliga-Team wegzudenken sind. Seit sie international für die USA auflaufen, fanden sich auch weitere US-Nationalspieler am Höhenberg ein, so wie „Ninja Warrior“ Gary Hines (38, 75 Länderspiele, 700 Tore), der 2020 ein Kurz-Gastspiel gab und im Jugendbereich als Co-Trainer arbeitete, und der inzwischen nach San Francisco zurückgekehrte Andrew Donlin (30, 34 Länderspiele, 57 Tore), der in der Saison 2018/19 vornehmlich im Dormagener Oberliga-Team eingesetzt wurde. Als gebürtiger Düsseldorfer besitzt Paul Skorupa (23, 11 Länderspiele, 0 Tore) wie die Hüter-Brüder zwei Staatsbürgerschaften. Über die HSG Neuss/Düsseldorf fand er 2017 in den Kader der damaligen Rhein Vikings, dessen Trikot er bis zur Insolvenz Anfang 2020 trug. Inzwischen ist der Kreisläufer beim Dormagener Zweitliga-Konkurrenten VfL Lübeck-Schwartau gelandet. Sie alle hoffen, dass sie im Gegensatz zur WM-Premiere 2021 in Ägypten, als ihnen das Corona-Virus einen Strich durch die Rechnung machte, diesmal tatsächlich ans Spielen kommen: In der Vorrundengruppe G treffen die USA auf Marokko, Ägypten und Kroatien.

Olympiasieger Kentin Mahé gehört mit den Franzosen in Schweden und Polen zu den Favoriten auf den WM-Titel.

Olympiasieger Kentin Mahé gehört mit den Franzosen in Schweden und Polen zu den Favoriten auf den WM-Titel.

Foto: dpa/Petr David Josek

Deutschland Zwei, die sich das Rüstzeug für ihre Karriere in Dormagen geholt haben, stehen im Aufgebot von Bundestrainer Alfred Gislason: Simon Ernst (28, 54 Länderspiele, 30 Tore) zählt schon zu den „alten Hasen“ im Team. Er spielte von 2009 bis 2014 für den TSV und stieg zwei Jahre später in die 2. Bundesliga auf. Dort lief er freilich nie auf, sondern fand über VfL Gummersbach und Füchse Berlin trotz dreier Kreuzbandrisse beim SC DHfK Leipzig (seit 2021) zurück zu alter (Abwehr-)Stärke – und ins Nationalteam. Julian Köster (22, 17 Länderspiele, 29 Tore) spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in Gislasons Defensivkonzept, darf im Gegensatz zu Simon Ernst aber auch gelegentlich im Angriff ran. Er verließ vor zwei Jahren den TSV, dessen Trikot er seit 2015 getragen hatte, wie so viele andere in Richtung VfL Gummersbach. Dritter im Bunde mit dem Bundesadler auf der Brust ist Erik Wudtke (50): Gislasons rechte Hand war von 2015 bis 2017 als Jugend-Koordinator, Sportlicher Leiter und zeitweise auch als Co-Trainer in Dormagen im Einsatz. Deutschland trifft in Gruppe E auf Katar, Serbien und Algerien.

Nicolaj Jacobsen trainiert den Titelverteidiger Dänemark.

Nicolaj Jacobsen trainiert den Titelverteidiger Dänemark.

Foto: dpa

Island Zuvor bestreitet die deutsche Nationalmannschaft am Samstag (16.15 Uhr) und Sonntag (15.30 Uhr) zwei Testspiele gegen Island. Dort sitzt seit 2018 wieder Gudmundur Gudmundsson auf der Bank. Während das Engagement des Isländers in Dormagen (Juli 1999 bis März 2001) sowohl im Gespann mit Peter Pysall als auch solo eher unglücklich verlief, ist der 62-Jährige längst einer der ganz Großen im Trainergeschäft: 2008 wurde er mit Island Olympia-Zweiter, was ihm in seiner Heimat den Status eines Nationalhelden einbrachte, 2010 EM-Dritter. 2013 führte er die Rhein-Neckar Löwen (Trainer von 2010 bis 2014) zum Sieg im EHF-Europapokal. Als dänischer Nationaltrainer wurde er 2016 in Rio Olympiasieger, zwei Jahre später mit Bahrain Zweiter der Asienmeisterschaften. Seine Arbeit beim Bundesligisten MT Melsungen (Februar 2020 bis September 2021) erinnerte dagegen eher an seine Dormagener Zeit. Neben seiner Tätigkeit als Nationalcoach ist „Gummi“ Trainer des Frederica HK in Dänemark. Island bekommt es in Gruppe D mit Portugal, Ungarn und Südkorea zu tun.

Paul Skorupa (l.) im Duell mit Dormagens Lucas Rehfus.

Paul Skorupa (l.) im Duell mit Dormagens Lucas Rehfus.

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Belgien 2016 kam Nick Braun vom HC Eynatten ins Handballinternat nach Dormagen, von wo der Linksaußen 2020 zum Drittligisten HSG Krefeld wechselte. Der 22-Jährige hat bisher 15 Länderspiele für sein Heimatland bestritten. Die Belgier treffen in Gruppe H auf Bahrain, Tunesien und Titelverteidiger Dänemark.

Niederlande Ein eher unglückliches Handball-Jahr beim DHC Rheinland verbrachte Bobby Schagen (32) in der Saison 2009/10 in Dormagen. Inzwischen ist der Rechtsaußen in der Bundesliga (seit 2019 unter Trainer Florian Kehrmann beim TBV Lemgo) eine feste Größe, die in 112 Länderspielen beachtliche 356 Tore erzielte. Den Niederländern, die in Gruppe F auf Norwegen, Nordmazedonien und Argentinien treffen, trauen viele Experten die Rolle eines Überraschungs-Favoriten zu.

Frankreich Die Franzosen gehören hingegen zu den „echten“ Favoriten – und das hat viel mit Kentin Mahe (31) zu tun. Der Regisseur und Linksaußen kam im Jahr 2000 als Achtjähriger mit seinem Vater Pascal nach Dormagen, wo er elf Jahre lang spielte. Inzwischen ist er mit zwei WM-Titeln (2015, 2017), dem Olympiasieg von Tokio 2021, einem EM-Titel 2014 sowie drei weiteren Medaillen (Olympiazweiter 2016, WM-Dritter 2019, EM-Dritter 2018) längst aus dem Schatten seines Vaters getreten – und der gilt in Frankreich als Legende. Sie waren 2015 das erste Vater-Sohn-Gespann, das jeweils Weltmeister wurde. Seinen Vertrag mit dem ungarischen Spitzenklub Telekom Veszprem, für den er seit 2018 aufläuft, hat Mahe unlängst bis 2024 verlängert. Für Frankreich, das in Gruppe B auf Polen, Saudi-Arabien und Slowenien trifft, erzielte er in 147 Länderspielen (alle Angaben Stand 31. Dezember 2022) 479 Tore.

Dänemark Last but not least der Titelverteidiger, dessen Trainer Nikolaj Jacobsen (51) in der Saison 1997/98 ein einjähriges Gastspiel beim TSV Bayer Dormagen gab, bei dem der Linksaußen 189 Treffer  erzielte und Dritter der Bundesliga-Torjägerliste wurde – weshalb ihn prompt der THW Kiel verpflichtete, für den er bis 2004 auflief. Als Spieler warf er in 148 Länderspielen für Dänemark 584 Tore, als Trainer wurde er Dänischer Meister mit Aalborg (2013), Deutscher Meister 2016 und 2017 mit den Rhein-Neckar Löwen, wo er 2014 Gudmundur Gudmundsson auf der Bank ablöste – und führte Dänemark zu den WM-Titeln 2019 und 2021, zur Olympischen Silbermedaille in Tokio und zu EM-Bronze vor einem Jahr, was ihm zwei Mal den Titel „Welt-Trainer des Jahres“ (2019, 2021) einbrachte. Da dürften Belgien, Bahrain und Tunesien in der Vorrundengruppe H keine allzu hohen Hürden darstellen.

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